Essen. Große Kaufhäuser waren einst die Juwelen in den Fußgängerzonen. Heute belasten Leerstände ehemaliger Warenhäuser die Innenstädte in NRW. Der Einzelhandel leidet unter fehlenden Publikumsmagneten wie Hertie, Kaufhof oder Karstadt. Manche Probleme sind jedoch hausgemacht.
Karstadt, Kaufhof, Hertie...: Große Kaufhäuser waren einst die Juwelen in den Fußgängerzonen nordrhein-westfälischer Innenstädte. Mittlerweile allerdings haben sich vielerorts die einstigen Konsumtempel zum faulen Ei entwickelt. Trotz bester City-Lage stehen große Warenhäuser seit mehreren Jahren leer. „Eine schwere Hypothek für die Städte, da so ganze Straßenzüge negativ wahrgenommen werden.
Das hat Auswirkungen auf den ganzen Einzelhandel und zieht weitere Leerstände nach sich“, sagt Stefan Postert, Experte für Stadtentwicklung der IHK mittleres Ruhrgebiet. Besonders betroffen sind die Städte, in denen ehemals Karstadt und danach Hertie residierten. Seit 2009 ist Hertie insolvent, genau so lange warten viele Kaufhäuser auf neue Nutzer.
Ohne Kaufhäuser veröden die Innenstädte
Wenn sich Gladbecks Stadtsprecher Peter Breßer-Barnebeck eine Portion schlechte Laune holen möchte, dann muss er nur aus seinem Bürofenster blicken. Der graue Klotz, der Hertie beherbergte, beschäftigt die Stadtspitze seit Jahren – nur eine Handhabe hat sie nicht. „Mieter kommen und gehen, ohne dass wir davon in Kenntnis gesetzt werden“, sagt Breßer-Barnebeck. Gladbeck hätte die Immobilie auch selber vermarkten können. Doch der Preis von 12 bis 13 Millionen Euro, den die niederländische Eigentümergesellschaft HIDD verlangt habe, sei „weit über dem Marktwert gewesen“. Nun hat im Sommer auch der letzte Zwischenmieter, ein Outlet-Händler, das Gebäude in der Stadtmitte wieder verlassen. Jetzt rottet der Bau aus den 1960er-Jahren vor sich hin. „Es sieht katastrophal aus und schadet der Stadt.“ HIDD aus den Niederlanden ist seit Anfang 2012 pleite. Insolvenzverfahren können sich nach niederländischem Recht bis zu zwei Jahre hinziehen.
Das Problem besitzt die Revierstadt jedoch nicht exklusiv. Herne, Kamen, Lünen und viele weitere „Hertie-Kommunen“ in NRW klagen seit 2009 über den Leerstand der einstigen Publikumsmagneten. Auch sie hängen in der Warteschleife seit der HIDD-Insolvenz, hoffen aber jetzt im Gespräch mit dem Gläubiger Deutsche Bank auf eine Wende zum Guten. Für die Fußgängerzonen wird es höchste Zeit. „Wenn der große Anziehungspunkt fehlt, können ganze Innenstädte veröden“, sagt Nina Hangebruch. Sie forscht für die Hafen City Universität Hamburg zu Entwicklungsperspektiven an Warenhaus-Standorten.
An manchen Orten fehle auch die Nachfrage, sagt die Expertin für Städtebau. Zum Beispiel in Bochum. In der Stadtbad-Galerie im Zentrum sind 15 Prozent der Einzelhandelsfläche nicht vermietet. „Die Mieten sind mit den aktuellen Umsatzzahlen im Einzelhandel nicht zu erzielen“, sagt Wirtschaftsförderer Siegfried Jahn.
Oberhausens Centro macht die Innenstadt zur Randlage
Oberhausen hat sich sein Problem selbst geschaffen. Seit das Centro Konsumenten auf 90.000 Quadratmetern alles bietet, hat City-Manager Franz Muckel Schwierigkeiten, Einzelhandel in die Innenstadt zu bekommen. Ja, wenn denn nur Peek & Cloppenburg sein schönes Kaufhaus an der Marktstraße wieder vermieten würde... „Mit P&C als Ankerpunkt würden auch weitere Geschäfte folgen“, ist sich Muckel sicher und hofft auf einen Sinneswandel beim Eigentümer.
Auch Dortmund hat sich entschieden, ein Einkaufszentrum in der City zu bauen. Die Thier-Galerie boomt. Das ehemalige Karstadt-Technik-Haus dagegen hat bis auf einen Anbieter von Sonderposten keinen Mieter. Dabei sollte laut Investor Treveria längst ein Warenhaus samt Hotel auf den vier Etagen eröffnet haben. Passiert ist bisher nichts und laut Immobilien-Zeitung ist Treveria auch in finanzieller Schieflage. Stellung nimmt das Unternehmen dazu nicht.
Immobilien-Eigentümer zur Vermarktung drängen
Den „Hertie-Städten“ versucht Nina Hangebruch Mut zu machen. Ihre Untersuchungen zwischen 1994 und 2009 haben ergeben, dass die wenigsten Leerstände schon nach drei Jahren beseitigt waren. „In Wattenscheid hat sich für Horten erst nach zehn Jahren eine Nachnutzung ergeben. Es tut sich was, ganz wichtig ist, dass man bis dahin seinen Standort nicht kaputtredet.“
Eine Hoffnung hat sich zunächst nicht erfüllt: Das Bundeskabinett hat einen Antrag von NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) abgelehnt, Eigentümer zur Sanierung von Schrottimmobilien zu zwingen oder am Abriss zu beteiligen. Die entsprechende Änderung des Baugesetzes hätte auch Bewegung in die Vermarktung der seit drei Jahren leerstehenden ehemaligen Hertie-Kaufhäuser an Rhein und Ruhr gebracht. „Nun müssen Kommunen hilflos zusehen, wie verrottende Gewerbeimmobilien oder Wohnblocks ganze Viertel in die Abwärtsspirale reißen“, äußerte sich Groschek verärgert über die Ablehnung.
Auch im Bundestag wird der Vorschlag gegen die Mehrheit von Union und FDP wohl nicht durchkommen. Danach haben die Länder im Bundesrat noch einmal eine Chance.