Dortmund. . Mitglieder des verbotenen Neonazi-Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ rekrutieren Nachwuchs in der Dortmunder Ultra-Szene. Die rechten Fans übernehmen sogar langsam das Kommando im Herzen des BVB-Fanblocks.
Der 23. August 2012 sollte eigentlich der Tag sein, an dem Dortmund im jahrelangen Kampf gegen Neonazis ein entscheidender Schlag gelingen sollte. NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte die rechtsextreme Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) verboten, die Polizei ihr Hauptquartier auseinandergenommen. Doch die Durchsuchung in den Räumen an der Rheinischen Straße im Dortmunder Westen offenbarte, dass das rechte Netzwerk längst viel verzweigter ist, als die Behörden vermutet hatten – es reicht bis auf die Südtribüne von Borussia Dortmund. Ein Ausmaß, das der Verein genau so unterschätzt hat wie die Polizei und die Politik .
Training für Straßenkampf
An den Wänden des Nazi-Treffs pappten Aufkleber der BVB-Fan-Gruppe „Desperados“. Zudem hingen dort Urkunden von einem Kampfsport-Turnier. Geehrt wurde Timo K., ein Freefighter und als führender Kopf der Dortmunder Hooligans „Northside“ steter Gast auf der Südtribüne des BVB. Nur wenige Tage nach der Razzia entrollte der 27-Jährige im Stadion ein Banner: „Solidarität mit dem NWDO“.
Im Jahr 2008 war bereits an die Öffentlichkeit gekommen, dass Hooligans und Rechtsradikale zusammen in einer Dortmunder Turnhalle Straßenkämpfe trainierten. Laut einem Bericht eines Onlineportals der Antifa war der Übungsleiter Timo K.. Auch die „Desperados“, rechtsradikale Alt-Hooligans der „Borussenfront“ sowie Autonome Nationalisten, wie sich die Mitglieder des NWDO nennen, kamen vorbei. Seitdem ist die Schnittmenge zwischen Rechtsradikalen und Fußballfanatikern in Dortmund gewachsen. Beim BVB versuchen die Neonazis, Nachwuchs zu rekrutieren. Knapp 100 Besucher der Südtribüne sollen nach einem Bericht des „Spiegel“ zum rechten Milieu gehören.
Fans überfallen Fans
Die „Desperados“ widersprachen nie den Gerüchten, sie seien mindestens von Neonazis unterwandert. Ein Szenekenner äußerte sich gegenüber dieser Zeitung zuletzt drastischer: „Es gibt enge Verflechtungen zwischen Desperados, Autonomen Nationalisten und Northside.“ Bei den Vorfällen am 28. August am Rande des Drittligaspiels der BVB-Amateure gegen den Karlsruher SC stürmten Hooligans, Desperados und etwa zehn Rechtsradikale Seite an Seite teils maskiert auf den Karlsruher Block zu.
Bisher hatte es immer von Seiten des Vereins geheißen, dass der BVB kein Problem mit rechten Fans habe. Zwar gebe es einige schwarze Schafe in der etwa 150 Mitglieder zählenden Ultra-Gruppierung „Desperados“, doch das Gros der Stimmungsmacher sei unpolitisch – die 250 Mann von der größten Extrem-Fanorganisation „The Unity“ sowieso.
Doch nicht nur der Bannervorfall lässt darauf schließen, dass die gewaltbereiten Neonazis langsam das Kommando im Herzen der schwarz-gelben Fans übernehmen. Ein Vorfall spricht Bände über das heimliche Kräfteverhältnis auf der Südtribüne: Nachdem ein Vorsänger von „The Unity“ mit einem antirassistischen T-Shirt im Stadion erschien, sollen die „Desperados“ die viel größere Ultra-Gruppe derartig bedrängt haben, dass der Vorsänger vom Podium verschwand. Widersprochen wurde dieser Darstellung nie. Wie der „Spiegel“ nun berichtet, bedrohten und schlugen Mitglieder der „Desperados“ andere Ultras im Block. Sogar vor deren Wohnungen machten die Rechten nicht halt. Sie überfielen ihre Opfer und prügelten sie aus dem Bett.
Polizei findet keinen Zugang
Die Einschüchterungen haben offenbar Wirkung. Beim jüngsten Gewaltexzess rund ums Dortmunder Stadion beim Revier-Derby gegen Schalke sollen auch einige Mitglieder der „Unity“ unter den 200 Schlägern gewesen sein, die mit Knüppeln und Flaschen auf die Polizisten losgingen. Die Bilanz: 180 Festnahmen, 11 Verletzte.
Der BVB hat mittlerweile eine Taskforce gegründet, um mit Hilfe der Fanbetreuer den „rechten Sumpf“ auszutrocknen. Acht Stadionverbote sind zwischenzeitlich erteilt worden. Die Polizei dagegen hat Schwierigkeiten, einen Fuß in die Szene zu bekommen. Ultras kooperieren nicht mit den Behörden – auch nicht die Opfer. (greg/fm)