Dortmund.. Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt: Arbeitgeber können Krankenscheine ab dem ersten Krankheitstag fordern. Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer?
Schon am ersten Krankheitstag müssen Arbeitnehmer einen Krankenschein einreichen, wenn der Arbeitgeber dies fordert. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt könnte theoretisch jeden Angestellten treffen. Doch wie weitreichend ist das Urteil und was ändert sich dadurch in der Praxis? Ein Überblick.
Was verändert sich durch diese Entscheidung?
In der Praxis wird sich durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wohl nicht viel ändern, sagen Experten. „Der Arbeitgeber hatte auch bisher schon das Recht, am ersten Tag einen Krankenschein einzufordern“, sagt Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Das Gesetz sei eindeutig und der Paragraf auch für Laien zu verstehen. „Die Entscheidung des Gerichts war zu erwarten“, zeigt sich Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Bonn, auch wenig überrascht. Allerdings greifen nur sehr wenige Unternehmen auf diese Möglichkeit zurück. „Die meisten wollen ab dem dritten Tag ein Attest sehen“, so Thüsing.
Wie reagieren große Arbeitgeber darauf?
Die meisten werden bei ihren bisherigen Regelungen bleiben. Bei RWE müssen sich Arbeitnehmer ab dem zweiten Krankheitstag krankmelden. „Das wird wahrscheinlich auch so bleiben“, so Sprecherin Brigitte Lambertz. Auch bei der Stadt Lüdenscheid werde sich wohl nichts an der bisherigen Regelung ändern, so ein Sprecher. Dort müssen sich Arbeitnehmer ab dem dritten Krankheitstag ein Attest holen.
Was muss ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich morgens krank bin?
Das hängt von der Regelung des Arbeitgebers ab und ist im Arbeitsvertrag festgehalten. Der Arbeitnehmer muss dem Unternehmen aber in jedem Fall unverzüglich mitteilen, dass er krank ist und zu Hause bleiben wird. Die Krankmeldung vom Arzt sollte er möglichst schnell vorlegen, „das passiert meist per Post oder der Krankenschein wird von einem Arbeitskollegen mitgenommen“, sagt Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Der Arbeitnehmer muss sich auch selbstständig darum kümmern, dass er zum Arzt kommt.
Was mache ich, wenn ich so krank bin, dass ich nicht zum Arzt gehen kann?
Der Arbeitnehmer muss selbst dafür sorgen, dass er entweder vom Notarzt abgeholt wird oder ein Arzt zu ihm nach Hause kommt. „Im schlimmsten Fall muss er selbst glaubhaft machen, dass er sich nicht aus dem Bett bewegen konnte“, sagt Rechtsanwalt Björn Schillberg. Dass Ärzte zu Hausbesuchen kommen, hält Volker Heiliger von der Ärztekammer Westfalen-Lippe aber für unrealistisch: „Die Hausärzte haben so viel zu tun, dass Hausbesuche für sie kaum machbar sind.“
Ist es Schikane des Arbeitgebers, wenn er eine Krankmeldung am ersten Tag fordert?
„Ich kann mir schon vorstellen, dass das Einfordern eines Attests am ersten Krankheitstag vom Arbeitgeber dazu genutzt wird, um Druck auszuüben“, sagt Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Allerdings habe der Arbeitgeber gesetzlich das Recht dazu, am ersten Tag einen Krankenschein zu fordern - ohne es begründen zu müssen, so Arbeitsrechtler Schillberg.
Was sind denn mögliche Konsequenzen des Urteils?
Wenn von jetzt an alle Arbeitgeber eine Krankmeldung am ersten Tag fordern würden, könnte sich Volker Heilinger (Ärztekammer) vorstellen, dass sich viele den Gang zum Arzt sparen und doch zur Arbeit gehen. Christoph Schmitz sieht „die Gefahr, dass sich Beschäftigte krank zur Arbeit schleppen und so die Krankheit verschleppen oder andere anstecken“. So könnte es zu mehr Krankheitstagen kommen. Er appelliert an das Verantwortungsgefühl der Unternehmen: „Wir hoffen, dass sich die Mehrheit der Arbeitgeber an die großzügige Auslegung des Gesetzes hält.“