Washington. . Nach dem Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus gerät auch der Top-Militär John Allen wegen einer Beziehung zu einer Frau ins Visier des FBI. Präsident Obama stützte ihn am Dienstag. Doch schon beschäftigen neue Enthüllungen das prüde Amerika.

Das Gruppenbild mit Damen, auf das Amerika seit Tagen mit Kopfschütteln und Neugier schaut, wird immer bunter. Nach dem Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus (60) wegen einer außerehelichen Liebesbeziehung mit seiner Biographin Paula Broadwell (40) gerät nun auch der Kommandeur der internationalen Afghanistan-Schutztruppe, General John Allen, in den Affärenstrudel. Verteidigungsminister Leon Panetta hat ein Ermittlungsverfahren gegen den 58-jährigen Elite-Militär eingeleitet.

Auslöser waren nach Angaben des Pentagon Funde der Bundespolizei FBI über 20 000 bis 30 000 Dokumente und E-Mails, in denen sich der verheiratete Allen über zwei Jahre in „unangemessener“ Weise ausgerechnet mit jener Frau ausgetauscht hat, die indirekt den Sturz von Petraeus auslöste: Jill Kelley, 37 Jahre alt, Mutter dreier Kinder, Ehefrau eines bekannten Chirurgen, in Militärkreisen in Tampa/Florida als Gesellschaftsdame bekannt, die honorige Veranstaltungen zu Gunsten von Armee-Angehörigen ausrichtet oder besucht und seit fünf Jahren mit David Petraeus und dessen Frau Holly befreundet war.

„Unangemessen“ ist Amerikas Wort für erotisch

Über den Inhalt des Mail-Verkehrs schweigen sich Pentagon, Allen wie Kelley bisher aus. Top-Anwälte sind eingeschaltet. Wie aus Sicherheitskreisen verlautete, wird im prüden Amerika mit der Formulierung „unangemessen“ in der Regel „sexuell akzentuierte Kommunikation“ bezeichnet. Nicht auszuschließen sei aber auch, dass militärische sensible Informationen ausgetauscht wurden. Allen ließ die Anschuldigungen, insbesondere den Verdacht, er habe ebenfalls eine außereheliche Beziehung, pauschal zurückweisen. Das Pentagon deutete am Mittag an, dass es für eine aktive Affäre Allens bisher keine Anzeichen gebe. Dem General wurde eine faire Untersuchung zugesagt, erklärte Panetta.

Bis dahin liegt die für diesen Donnerstag geplante formale Entsendung Allens nach Europa auf Eis. Der aus Virginia stammende Absolvent der Marine-Akademie Annapolis sollte hier im Januar das US-Oberkommando übernehmen. US-Präsident Obama hat nach Angaben seines Sprechers Jay Carney „weiter eine hohe Meinung von John Allen“.

Alles dreht sich um Jill Kelley

Der Vorgang rückt einmal mehr Jill Kelley in den Blickpunkt. Die attraktive Frau hatte sich im Frühjahr an einen befreundeten FBI-Agenten gewandt, weil sie sich durch anonyme E-Mails einer anderen Frau bedroht fühlte. Die Bundespolizei nahm Ermittlungen auf und kam so Paula Broadwell auf die Schliche. Die 40-Jährige, die in Kelley offensichtlich eine Nebenbuhlerin gesehen hat, war nicht nur die Urheberin der Droh-Mails. Bei der Kontrolle ihrer E-Mail-Konten flog auch die Affäre mit Petraeus auf, die von November 2011 bis cirka Juli 2012 gegangen sein soll.

Die Querverbindung zwischen Petraeus und Allen, die zu Amerikas Vorzeige-Soldaten gehören, ist bedeutsam. John Allen war unter Petraeus, der bis 2011 Vier-Sterne-General und Oberkommandierender in Afghanistan war, im Irak-Krieg eine zentrale Figur. Als seine herausragende Leistung gilt, dort zwischen 2006 und 2008 die sunnitischen Stammesältesten davon überzeugt zu haben, sich mit Amerika zu verbünden und gemeinsam gegen das Terrornetz El Kaida zu kämpfen. Als Petraeus an die Spitze des Auslandsgeheimdienstes CIA wechselte, löste Allen ihn in der Chef-Funktion in Afghanistan ab.

Nackter Oberkörper, geheimer Postkasten

Der Zeitpunkt, zu dem Allen in den Petraeus-Skandal gerät, hat den Argwohn des Kongresses, der sich ohnehin seit Tagen unzulänglich informiert fühlt, noch weiter verstärkt. „Warum kommt das FBI mit 30 000 Seiten potenziell belastendem Material über General Allen erst jetzt“, fragte stellvertretende für viele Politiker der republikanische Abgeordnete Jason Chaffetz im Sender CNN. Unterdessen wurden gestern weitere irritierende Details in der Affäre bekannt; über die in der „New York Times“ wie in der „Washington Post intensiv berichtet wird. Danach hat der von Jill Kelley eingeschaltete FBI-Agent offenbar seine Befugnisse überschritten, indem er eigenmächtig hochrangige Parlamentarier in Washington über den Fall informierte. Außerdem behelligte er Jill Kelley mit Handykamera-Fotos, die ihn mit nacktem Oberkörper zeigen.

David Petraeus und seine Ex-Geliebte Paula Broadwell gingen bei ihrem digitalen Schriftverkehr zunächst weniger leichtsinnig vor. Um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, schrieben sie sich in der Turteltauben-Phase keine direkten E-Mails. Sondern Liebesbotschaften, die in einem passwortgeschützten gemeinsamen Internet-Briefkasten landeten, auf den beide Zugriff hatten. Als die FBI-Experten dahinter kamen, wurde ihr Interesse umso größer, weil diese Vorgehensweise häufig von Terroristen genutzt wird.