Berlin. Patienten müssen ab Januar kommenden Jahres beim Arztbesuch keine Praxisgebühr mehr zahlen. Der Bundestag beschloss am Donnerstag einstimmig den Wegfall der Gebühr. Seit 2004 wurde die 10-Euro-Zuzahlung bei jedem ersten Arzt- und Zahnarztbesuch im Quartal fällig.

Die Praxisgebühr gehört ab Januar der Vergangenheit an. Fast neun Jahre nach ihrer Einführung beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen aller 548 Abgeordneten den Wegfall der Zuzahlung. Die Patienten sollen so von den Milliardenüberschüssen in der gesetzlichen Krankenversicherung profitieren und die Ärzte von Bürokratie entlastet werden.

Die Abschaffung war vor wenigen Tagen bei einem Spitzentreffen der schwarz-gelben Koalition auf Drängen der FDP beschlossen worden. Für die wegfallenden Einnahmen in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro sollen die Krankenkassen einen Ausgleich aus dem Gesundheitsfonds erhalten.

Praxisgebühr sollte Kostenbewusstsein der Versicherten schärfen

Die Praxisgebühr wurde seit 2004 bei jedem ersten Arzt- und Zahnarztbesuch pro Quartal fällig. Auch beim Notdienst am Wochenende sowie jedem Facharztbesuch ohne Überweisung müssen die zehn Euro entrichtet werden. Beschlossen wurde die Gebühr im Zuge der Gesundheitsreform 2003 von der damaligen rot-grünen Regierung gemeinsam mit CDU und CSU.

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Die Abgabe sollte das Kostenbewusstsein der Versicherten schärfen und erreichen, dass diese nicht wegen jeder Lappalie zum Arzt gehen. Besuche beim Facharzt sollten mit dem Hausarzt abgestimmt werden. Darüber hinaus sind mit der Gebühr Einnahmen für die gesetzliche Krankenversicherung von knapp von knapp zwei Milliarden Euro verbunden.

Zahl der Arztbesuche ist nicht zurückgegangen

Es ist unbestritten, dass die Praxisgebühr die Ziele nicht erfüllt hat. Die Arztbesuche sind nicht zurückgegangen und liegen wie vor der Einführung der Abgabe bei mehr als 500 Millionen pro Jahr. Studien zufolge sind es vor allem kranke Menschen mit geringem Einkommen, die sich wegen der zehn Euro vom Gang zum Mediziner abhalten lassen.

Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) wendet jede Praxis jährlich rund 120 Stunden auf, um die Gebühr zu kassieren und zu quittieren. Die Kosten werden auf jährlich 360 Millionen Euro beziffert - 4100 Euro pro Praxis.

Krankenkassen erhalten Ausgleichszahlungen aus dem Gesundheitsfonds

Mit der Praxisgebühr sind Einnahmen von rund zwei Milliarden Euro im Jahr verbunden. Sie werden von den Ärzten einbehalten, die Kassen überweisen den Medizinern entsprechend weniger.

Damit den Krankenkassen durch die Abschaffung die Einnahmen nicht fehlen, sollen sie zum Ausgleich höhere Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Die Höhe der Zuweisungen legt das Bundesversicherungsamt bis zum 15. November fest.

Die dank der Konjunktur und der Spargesetze stetig steigenden Überschüsse der gesetzlichen Krankenversicherung von annähernd 24 Milliarden Euro erhöhten in den vergangenen Monaten den Druck auf die Politik massiv. Einzelne Kassen preschten vor und schafften die Gebühr für ihre Versicherten faktisch ab, indem sie sie ihnen zurückerstatten.

Gleichwohl hätte die Union an der Gebühr gern festgehalten, weil sie darin eine wichtige Form der Eigenbeteiligung sieht und die Einnahmen in finanziell schlechteren Zeiten noch gebraucht werden könnten. Im Verhandlungspoker gaben CDU und CSU dem breiten politischen Drängen aber nach.