München. Charlotte Knobloch kritisiert die langsame politische Aufarbeitung der Moderserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses fordert auch ein erneute NPD-Verbotsverfahren. Man müsse entschlossen gegen Rechtsextremisten vorgehen.

Die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch, beklagt eine zu schleppende politische Aufarbeitung der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU. "Es dauert sehr lang", sagte sie der Nachrichtenagentur dapd in München. Zugleich erneuerte sie ihre Forderung nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte vor überzogenen Erwartungen an einen zweiten Anlauf.

Mit Blick auf die andauernden Ermittlungen zur NSU-Mordserie sagte Knobloch: "Da haben natürlich diejenigen, die diese Banden mindestens geistig unterstützen, viel mehr Optionen, neue Interessenten und Handlungsfelder zu finden." Während die alten Fehler untersucht würden, könnten die Rechtsextremen nach neuen Schlupflöchern suchen und neue Pläne entwickeln, um ihre Ideologie zu realisieren.

NPD-Verbotsverfahren müsse trotz Hindernisse versucht werden

Zudem warf Knobloch der Politik vor, den Rechtsextremismus allen Warnungen zum Trotz unterschätzt zu haben. "Man hat das Problem nicht so ernst genommen, wie es nötig gewesen wäre." Das zeige sich auch am gescheiterten NPD-Verbotsantrag, bei dem "nicht entschlossen genug, nicht ausreichend durchdacht vorgegangen" worden sei. Sie fordere "mit allem Nachdruck" einen zweiten Anlauf.

Trotz aller Probleme, die ein NPD-Verbot mit sich bringe, müsse dies als erster Schritt im Kampf gegen Rechtsextremismus gegangen werden. "Die NPD ist Nährboden für menschenverachtenden Rechtsextremismus und vermeintlich legales Trainingslager für radikale Kräfte", betonte die 80-Jährige. Das Verbot der Partei sei überfällig.

Rechtsextreme in Deutschland hätten zu große Spielräume

Die Rechtsextremen hätten in Deutschland "viel zu große Spielräume", kritisierte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Nach wie vor tanzten Neonazis "unserem Rechtsstaat auf der Nase herum" und machten sich lustig über die wehrhafte Demokratie.

Die Aufdeckung der Terrorzelle NSU vor einem Jahr habe sie zwar erschüttert, aber nicht überrascht. "Ich habe es für möglich und sogar für wahrscheinlich gehalten, dass auch in Deutschland eine rechtsextremistische Terrorszene existiert", sagte Knobloch. "Entscheidend ist, dass sie offenbar ungehindert schalten und walten konnten.

Das ist das Thema und ich glaube, da sollte man sehr intensiv über Konsequenzen nachdenken." Die 80-Jährige fügte hinzu: "Ich glaube, hier werden bestimmte Verantwortliche zu sehr an der langen Leine gelassen."

Gegen die NPD brauche man gesellschaftliches Engagement

Leutheusser-Schnarrenberger mahnte derweil zur Sorgfalt bei einem möglichen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. Nicht nur das Bundesverfassungsgericht werde ein Verbot kritisch unter die Lupe nehmen, sondern womöglich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte "mit eigenen rechtlichen Standards", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".

Ein zweites Scheitern eines Verbotsantrags würde der NPD sogar noch nutzen und der Demokratie immensen Schaden zufügen, warnte die stellvertretende FDP-Vorsitzende.

"Gegen die NPD brauchen wir vor allem gesellschaftliches Engagement", betonte Leutheusser-Schnarrenberger. NPD-Funktionäre würden ganz offen sagen: "Wenn wir verboten werden, dann machen wir anders weiter." (dapd)