Berlin. Der Konzern reagiert auf die demografische Entwicklung: Größere Schilder, mehr Licht und besserer Service sollten älteren Menschen helfen, sich zu orientieren. Auch die Bahnhöfe werden umgerüstet
Im Frühjahr 2009 erhielt Rüdiger Grube (61) einen Anruf. Die Kanzlerin bat den Manager, das größte deutsche Staatsunternehmen zu führen. Dreieinhalb Jahre ist er jetzt Chef der Bahn. Im Interview erklärt Grube, wie er den Konzern für ältere Kunden fit machen will und was er vom Rhein-Ruhr-Express hält.
Herr Grube, die Bahn sagt, sie sei pünktlicher geworden. Aber unvorhersehbare Zwischenfälle führen nach wie vor zu Verzögerungen. Suizide gehören dazu. Wie gehen Sie damit um?
Grube: Das ist ein ernstes Thema. Die Zahl der Selbstmorde in Deutschland geht eher zurück. Bei der Bahn ist es dagegen umgekehrt. Im Streckennetz kommt es an manchen Tagen zu bis zu sechs Suiziden. Natürlich wirkt sich das im Betrieb aus. Die Klärung der Vorgänge nimmt Zeit in Anspruch. Manchmal bleiben Züge stundenlang stehen. Wir führen Gespräche mit den Bundesländern, um diese Zeitspanne zu verkürzen. Wichtig ist, dass sofort die Bundespolizei benachrichtigt wird und der Staatsanwalt dann überall sehr zügig entscheiden kann, bis die Strecke freigegeben werden kann.
Blockiert werden die Züge auch durch Kupfer-Diebstähle...
Ein Wahnsinn. Die Diebe gehen selbst das Risiko ein, beim Kontakt mit Starkstrom getötet zu werden. Für 15 Millionen Euro wurde 2011 Buntmetall entwendet. 11 000 Züge wurden behindert, weil Leitungen unterbrochen waren.
Hält dieser Trend an?
Steigende Rohstoffpreise ziehen Kriminelle an, aber unsere Maßnahmen beginnen zu greifen, auch in NRW. Wir ersetzen Kupfer schon durch Aluminium, verstärken den Einsatz von Videoüberwachung und erhoffen uns auch Erfolge durch das Anbringen einer künstlichen DNA. Das kann Diebe überführen.
Ihre Kundschaft wird älter. Wie helfen Sie denen, die die Nummern an den Sitzen und die digitalen Wagenanzeigen nicht lesen können?
Das muss sich ändern. In den neuen IC-X-Zügen, die wir ab 2016 bekommen, werden beispielsweise auch die Ziffern wesentlich leichter erkennbar sein. Wir rüsten ältere ICE und IC-Züge mit einem dreistelligen Millionenprogramm um, die ersten dieser IC gehen jetzt in den Betrieb, zunächst auf der Strecke Köln-Hamburg. Alle neuen Fernzüge, die wir kaufen, werden eine Hebebühne für Rollstuhlfahrer haben. Und unser Kundenbeirat ist im Vorfeld solcher Investitionen sowieso dabei und gibt wichtige Empfehlungen.
Wie bedeutend ist für die Bahn die demografische Entwicklung?
Sehr bedeutend. Die Bahnhöfe in Duisburg, Dortmund, Münster und Essen zum Beispiel werden komplett barrierefrei umgebaut. Es gibt dann Blindenleitstreifen, verbesserte Bahnsteigbeleuchtungen, leuchtstarke Fahrtzielanzeiger. Bis 2015 soll die Barrierefreiheit an 350 weiteren Stationen verbessert werden. Alle 82 DB-Informationen werden mit Induktionsschleifen für Hörgeschädigte ausgestattet, mit Informationen in der Schrift für Sehbehinderte und Bedientischen für Rollstuhlfahrer. Wir schulen Servicemitarbeiter in der Hilfe für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste, zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen. 1400 stehen in den Bahnhöfen zur Verfügung. 2011 wurden in NRW 52 000 solcher Hilfestellungen organisiert.
Das Revier wartet auf den Rhein-Ruhr-Express. Wann kommt er?
Das Rhein-Ruhr-Gebiet ist die am dichtesten bevölkerte Gegend in Deutschland. Der RRX ist enorm wichtig, und er soll auf einer Strecke rollen, die nicht völlig neu gelegt, sondern ausgebaut werden muss. Um das zu verwirklichen, ziehe ich mit NRW-Verkehrsminister Groschek an einem Strang. Die Bahn hat selbst 25 Millionen Euro für die Planung zur Verfügung gestellt. Nur: Für die Infrastruktur, also den Bau, ist der Bund zuständig, und da wird es schwierig. Der Topf für solche Vorhaben sieht bundesweit jährlich 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro vor. Daraus muss der RRX, der über zwei Milliarden Euro kosten wird, finanziert werden. Es sind aber deutschlandweit konkurrierende Projekte für insgesamt 15 Milliarden beantragt. Der Topf ist also viel zu klein. Um so wichtiger ist, sich gemeinsam für die Verwirklichung des RRX zu engagieren.
Für die Betuwe-Strecke von Rotterdam ins Revier steht die Planung. Können Sie den Bürgern Ängste nehmen, dass sie künftig nachts vor Lärm nicht schlafen können?
Wir werden die Bevölkerung umfassend informieren und nehmen ihre Ängste sehr ernst. Generell wollen wir als Bahn den Lärm des Schienengüterverkehrs bis 2020 um die Hälfte verringern.
Wie machen Sie das?
Vor allem an der Quelle, an den Fahrzeugen, und nicht nur über hohe Lärmschutzwände. Flüsterbremsen sind dazu geeignet. Aber sie sind auf europäischer Ebene schwer durchsetzbar und auch teuer. Da müssen wir noch ziemlich dicke Bretter bohren, aber davon lassen wir uns nicht abschrecken, denn wir nehmen die Sorgen der Anwohner sehr ernst.
Hilft ein Tempolimit?
Wir würden dadurch weniger Verkehr auf der Schiene haben und noch mehr Güterverkehr auf die ohnehin schon überfüllten Straßen drängen. Das will niemand.