Düsseldorf. . Nach massiven Beschwerden über die Datensammelwut von Krankenkassen verschärft NRW die Kontrollen der Kassen. Beim Antrag auf Krankengeld müssen Versicherte in Fragebögen oft sehr private Selbstauskünfte über persönliche Lebensverhältnisse erteilen.

Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat die Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, Fragebögen im Ministerium zur Prüfung vorzulegen. Das Ministerium ist Aufsichtsbehörde für vier Millionen Versicherte.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte die bei gesetzlichen Krankenkassen weit verbreitete Praxis bemängelt, Versicherte besonders bei Arbeitsunfähigkeit auszuhorchen. In einer Kasse waren Versicherte unter anderem nach besonderen Stressfaktoren wie Ehe- oder Erziehungsproblemen befragt worden. Bedenklich: Auf vielen Fragebögen fehlt der Hinweis, dass die Angaben freiwillig sind.

Kassen verteidigen Fragenkatalog

Die Kassen verteidigten die umfangreiche Selbstauskunft mit dem Ziel einer besseren Versorgung der Patienten. Zur Prüfung weitergehender Vorsorge- und Reha-Maßnahmen seien alle relevanten Daten notwendig, teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mit.

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Datenschützer Schaar räumte Kassen das Recht für derartige Fragebögen nur für den Fall ein, dass offenkundige Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Kassenmitglieds bestehen. Aber auch dann dürften nur harte Fakten abgefragt werden. Beispielsweise: Wie lange liegt die Arbeitsunfähigkeit vor? Ist absehbar, wann sie endet?

Datenschützer befürchten, dass sich die Kassen im Einzelfall den kostenpflichtigen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) sparen und selbst über weitergehende Behandlungen entscheiden wollen. Es gehe offenbar um Kostensenkungen. Datenschützer Schaar berichtete von Fällen, in denen Kassen bei der Verweigerung der Selbstauskunft mit der Streichung des Krankengeldes gedroht hätten.

Immer öfter Krankengeld

Das NRW-Gesundheitsministerium erklärte nun auf Anfrage dieser Zeitung, dass bei Routinekontrollen der zwölf gesetzlichen Krankenkassen, für die das Land die Aufsicht hat, in den vergangenen 24 Monaten „keine signifikanten Auffälligkeiten“ in den Selbstauskunftsbögen festgestellt wurden. Trotzdem hat das Ministerium eine kurzfristige Prüfung angeordnet.

Hintergrund der Debatte ist der seit 2006 bundesweite Anstieg der Ausgaben der Kassen für Krankengeld. Im vergangenen Jahr mussten die gesetzlichen Kassen in Deutschland 8,5 Milliarden Euro ausgeben – ein Anstieg um 0,7 Milliarden Euro gegenüber 2010. Vor allem langwierige psychische Erkrankungen haben stark zugenommen. Gesetzlich Versicherte können bei Arbeitsunfähigkeit bis zu 78 Wochen Krankengeld erhalten.