Birmingham. . Der britische Premierminister überraschte den Tory-Parteitag mit einer Neupositionierung Großbritanniens. Der Blick geht gen Osten, weil die heimische Wirtschaft nicht mehr als Wachtumsmotor fungieren kann.

Nicht mehr in Europa, sondern in den boomenden Schwellenländern Asiens sieht Großbritannien in Zukunft seine lukrativsten Chancen. Diese Neu-Positionierung der Handelsnation präsentierte ­Premier David Cameron gestern beim Parteitag der Konservativen erstmals in unverblümter Offenheit. Brüssel muss sich in den nächsten zwei Jahren auf weiteres, zähes ­Ringen mit den EU-Kritikern auf der Insel einstellen.

Eine optimistische Trostrede hätte gestern niemand von dem Parteichef erwartet. Dazu ist die Wirtschafts­lage einfach zu schlecht: Das Staatsdefizit ist seit Beginn der Banken­krise in mediterrane Höhen geklettert; die Spar- und Schocktherapie der Tories lässt die Arbeitslosigkeit ungebremst steigen.

Großbritannien ist keine Industriemacht mehr

Die Hoffnung vieler, Großbritannien würde wie schon oft zuvor auch dieses Mal rasch zurück auf die Füße finden, ließ Cameron gleich zum Auftakt seiner Rede platzen. „Dieses Land war zuversichtlich, immer sein ­Auskommen zu haben, immer eine Industriemacht zu bleiben“, so der Premier, „doch uns ist es zugefallen, zu erkennen, dass wir diese Position nicht länger halten können.“

Erstmals machte Cameron bei einem Parteitag den globalen Wettbewerb zum Thema, legte eine ­Strategie für Großbritannien in einer Welt dar, in der sich Kräfte­verhältnisse gerade erheblich ­verschieben. Bei der Erschließung neuer Kundenmärkte, etwa in ­Indien, China oder Asien, will er Großbritannien in erster Reihe ­sehen. Es ist ein Plan, der funktionieren muss, denn Wachstumsmotoren in der Binnenwirtschaft konnte der Premier nicht präsentieren.

Lob für Deutschland

Dass Cameron von Europa keine wichtigen Impulse erwartet, machte er überdeutlich: „Während in Brüssel in unzähligen, endlosen Treffen über die griechische Wirtschaft debattiert wird, wächst die Wirtschaftskraft Chinas alle drei Monate um ein Griechenland.“ Nur bei der Schulausbildung geht ein anerkennender Blick Richtung Kontinent: „Deutschland schneidet da besser ab als wir.“

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Das EU-Thema wird mit Ende des Parteitags am heutigen Donnerstag noch lange nicht von Camerons Agenda verschwinden; im Gegenteil. Angesichts der geplanten, engeren Integration der EU sind in Großbritannien Rufe nach einem Referendum – quer durch alle Parteien – lauter geworden. Eine Volksabstimmung soll deshalb noch in dieser ­Legislaturperiode vorbereitet, aber erst nach Camerons möglicher Wiederwahl 2015 durchgeführt werden.

„Europa verzahnt sich enger, muss sich enger verzahnen, wenn es den Euro retten will“, so der Premier, „doch dieser Schritt benötigt dringend die Zustimmung der Bevölkerung. Ein Referendum wäre hierfür der ordentlichste, einfachste und vernünftigste Weg.“ Cameron favo­risiert keinen Total-Austritt Groß­britanniens, wohl aber einen Rück-Transfer von Entscheidungsbefugnissen und Kompetenzen, die London an Brüssel hat abtreten müssen.