Düsseldorf. . Jedes Jahr im Herbst werden Zehntausende Kinder in NRW eingeschult. Davor steht allerdings für alle i-Dötzchen die Eingangsuntersuchung, bei dem sie auf ihre Schultauglichkeit untersucht wurden – und hier schneiden viele Schulanfänger gerade im sprachlichen Bereich schlecht ab.

Jedes Jahr im Herbst werden Zehntausende Kinder in NRW eingeschult. Davor steht allerdings für alle i-Dötzchen die Eingangsuntersuchung, bei dem sie auf ihre Schultauglichkeit untersucht werden – und hier schneiden viele Schulanfänger gerade im sprachlichen Bereich schlecht ab.

Im Report 2010 des Landeszentrums Gesundheit NRW, der aktuellsten Erhebung zu dem Thema, wird deutlich, dass 29,1 Prozent der Kinder Sprachstörungen aufweisen. Das ist ein Zuwachs von 5,2 Prozentpunkten im Vergleich zu 2005. „Die Zahlen sind besorgniserregend“, urteilt Dietlinde Schrey-Dern vom Deutschen Bundesverband für Logopädie, „und dies, obwohl seit Jahren in NRW Maßnahmen ­dagegen ergriffen werden."

Unterschiedliche Schwere der Störungen

Die Experten unterscheiden zwischen Sprachauffälligkeiten und Sprachstörungen. Auffälligkeiten sind etwa nuscheliges Sprechen, ein geringer Wortschatz oder das ständige Verwenden derselben Satzbausteine. Bei einer Sprachstörung dagegen sind die Kinder im Vergleich zur Altersgruppe sprachlich stark verzögert, zum Beispiel wenn Zweijährige nur wenige Wörter sprechen oder Dreijährige für Fremde unverständlich sind. Zudem sind Sprachentwicklungsstörungen genetisch bedingt – Jungen leiden stärker darunter als Mädchen. Dazu kommt, dass auch Hörstörungen zu sprachlichen Defiziten führen können.

Logopädin Schrey-Dern kritisiert den Sprachtest „Delfin 4“, der seit 2007 in den Kitas in NRW verpflichtend ist. Getestet werden dabei die Sprachkenntnisse aller Vierjährigen, um Defizite zu erkennen und zu beheben. Stellt man bei einem Kind Förderbedarf fest, zahlt das Land 340 Euro pro Jahr an die Kita, um die Sprachentwicklung zu fördern.

Der Test an sich wäre durchaus sinnvoll, wenn er sprachauffällige von sprachgestörten Kindern unterscheiden würde, damit sprachgestörte Kinder Sprachtherapie erhalten und keine Förderung, die ihnen nicht hilft. „Erschwerend kommt hinzu, dass gegenwärtig eine Leitlinie fehlt, nach der Förderung zu erfolgen hat. Das Land zahlt dafür, gibt aber keine verbindlichen Kriterien vor, nach denen eine sinnvolle Sprachförderung stattfinden kann. Zudem werden Erzieher nicht einheitlich im Bereich Sprachförderung ausgebildet“, bemängelt Schrey-Dern.

Sprachauffälligkeiten haben viele Gründe

Die Ursachen für Sprachentwicklungsauffälligkeiten sind laut der Expertin vielfältig und lassen sich nicht auf Klischees reduzieren: „Familien, die nicht in der Lage sind, die sprachliche Entwicklung ihres Kindes zu fördern, verspäteter Kita-Eintritt – aber auch unkontrollierter Medienkonsum, das alles gibt es. Dennoch darf nicht vergessen werden: Viele unterschiedliche Gründe können Sprachprobleme im Grundschulalter begünstigen. Wichtig ist, dass Eltern so früh es geht, beraten und unterstützt werden, um ihre Kinder im Alltag sprachlich fördern zu können. Wenn ein Kind jedoch tatsächlich eine Sprachstörung hat, reicht weder die Förderung durch die Eltern noch durch die Kita aus, dann ist eine Sprachtherapie notwendig."

Das Schulministerium verteidigt den „Delfin“-Test. „Sprachförderung in der Kita ist eine Kernaufgabe der Kindererziehung. Jedes Kind, das sprachliche Defizite aufweist, bekommt eine Sprachförderung durch die Kita“, sagte ein Sprecher. Falls das nicht reiche, weise man die betroffenen Eltern darauf hin, dass ihre Kinder eine medizinische Therapie brauchen.