Berlin. Jürgen Trittin will die Grünen als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führen. Aber dafür braucht er noch das grüne Licht der Basis. Im Interview spricht er über sein Verhältnis zu Peer Steinbrück, Koalitionen jenseits von Rot-Grün und mangelndes Interesse der Regierung an einem Endlagerkonsens.

Die SPD hat ihren Kanzlerkandidaten gefunden, während die Grünen noch per Urwahl ihr Spitzenduo suchen. Als Favorit auf einen der Posten gilt Jürgen Trittin. Im Interview mit der WAZ-Mediengruppe spricht der Fraktionschef der Ökopartei über sein Verhältnis zu Peer Steinbrück, Koalitionen jenseits von Rot-Grün und mangelndes Interesse der Regierung an einem Endlagerkonsens.

Die SPD hat sich für Peer Steinbrück entschieden. Ist er aus Grünen-Sicht ein dankbarer Kanzlerkandidat?

Jürgen Trittin: Wichtig ist, dass sich die SPD endlich entschieden hat. Damit ist der Kampf um die Mehrheit in diesem Lande eröffnet.

Sehen Sie durch Steinbrücks Kandidatur bessere Chancen auf einen Regierungswechsel?

Trittin: Dadurch ist jetzt zumindest klar, worum es 2013 geht. Zwei Möglichkeiten stehen im Raum. Entweder gibt es Rot-Grün mit starken Grünen oder eine Große Koalition.

Gibt es weitere Optionen?

Trittin: Die sehe ich nicht. Wenn es aber Rot-Grün geben soll, müssen beide Parteien zulegen. Daher werden wir unsere Stärken hervorheben. Wir sind die Partei der Teilhabe, der ökologischen Modernisierung und der sozialen Gerechtigkeit. Man denke an unseren Gesetzentwurf zur Vermögensabgabe. Mit diesem Profil werden wir unser Wahlergebnis verbessern.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Herrn Steinbrück?

Trittin: Gut und kollegial.

Das Verhältnis zwischen Steinbrück und den Grünen war zu NRW-Zeiten angespannt. Befürchten sie nicht erneut Konflikte im Falle von Rot-Grün?

Trittin: Eine Koalition ist kein Streichelzoo. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten hat Rot-Grün in NRW unter Steinbrück gut funktioniert. Vor allem aber hat sich das Stärkeverhältnis zwischen SPD und Grünen geändert.

Die SPD kann sich nun auf Sachpolitik konzentrieren. Die Grünen beschäftigen sich mit der Urwahl, um zwei Spitzenkandidaten zu küren. Halten Sie es für ein glückliches Verfahren, wenn elf Laien gegen vier Profis antreten?

Trittin: Bei der SPD gab es drei Kandidaten und drei Wahlberechtigte - am Ende wurde es der, der nicht Nein sagte. Bei uns können 60 000 Mitglieder abstimmen, alle Mitglieder konnten antreten, 15 Kandidaturen sind es geworden. Das Urwahlprozedere hat eine sehr mobilisierende Funktion. In den Foren wird hauptsächlich über Inhalte gesprochen. Die Urwahl ist ein gutes Instrument.

In der Vergangenheit gab es Kritik, etwa von Tübingens Oberbürgermeister Palmer, wonach Sie und Frau Roth als Vertreter des linken Flügels nicht die ganze Partei mitnehmen könnten.

Trittin: Boris Palmer ist eines von 60 000 Mitgliedern. Auch er darf seine Meinung in der Urabstimmung zu einer Stimme machen. Anfang November wissen wir, wie viele das ebenso sehen

Dennoch: Wäre es nicht unglücklich, wenn kein Vertreter des Realoflügels ins Rennen darf?

Trittin: Wir sehen uns schon lange nicht mehr als Vertreter von Flügeln. Als Fraktionschef vertrete ich alle Abgeordnete. Renate Künast hat dieselbe Auffassung, Claudia Roth als Parteichefin auch.

Am Ende könnte es auch sein, dass zwei Frauen ins Rennen gehen und Sie außen vor bleiben.

Trittin: Niemand ist gesetzt. Was immer die Urwahl ergibt, wird die Entscheidung der Basis wiedergeben. Darauf kommt es an.

Ist die Urwahl auch ein Modell für die Zukunft bei den Grünen?

Trittin: Wenn es wieder konkurrierende Kandidaturen gibt, kann man darauf erneut zurückgreifen.

Umweltminister Altmaier lädt Mitte Oktober zum Gipfel für ein Endlagersuchgesetz. Woran hakt der Kompromiss noch?

Trittin: An den Fahrplan glaube ich nicht. Die Regierung begnügt sich seit April mit Terminankündigungen. Für uns bleibt es bei vier Dissenspunkten. Es geht um den Umgang mit Gorleben, die Sicherheitskriterien, die Anzahl der zu prüfenden Standorte und die Frage, welche Behörde die Suche leitet. Wenn sich die Regierung nicht bewegt, wird es keine Einigung geben. Dann macht auch ein Treffen keinen Sinn. Wir sind von einem Konsens im Oktober so weit entfernt wie noch im April.

Was fordern Sie von Altmaier?

Trittin: Er soll zu den vier genannten Punkten endlich kompromissfähige Vorschläge machen.

Glauben Sie an eine ergebnisoffene Endlagersuche, nachdem die Kanzlerin im Untersuchungsausschuss für die Weitererkundung von Gorleben plädiert hat?

Trittin: Die Kanzlerin hat mit ihren Äußerungen den Eindruck erweckt, dass die Bundesregierung null Interesse mehr an einem Endlagerkonsens hat.