Berlin. Acht Jahre lang schien es ein Naturgesetz zu sein, dass die Ausgaben für Medikamente steigen. Der Trend wurde nun gebrochen: Zwar wurden 2011 mehr Arzneimittel verschrieben als zuvor. Allerdings griff die gesetzlich verordnete Sparpille in Form von Abschlägen. Wie lange die Kur anhält ist offen.

Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland sind im vergangenen Jahr erstmals seit 2004 gesunken. Allerdings sieht der neue Arzneiverordnungs-Report, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, nach wie vor ein Einsparpotenzial in Milliardenhöhe. Insgesamt könnten bei sogenannten Generika, also Nachahmerpräparaten, umstrittenen Arzneimitteln und sogenannten Analogpräparaten weitere 3,1 Milliarden Euro eingespart werden, schreiben die Herausgeber Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath.

Die Experten werteten für den Report insgesamt 784 Millionen Verordnungen von mehr als 141.000 Vertragsärzten aus. Nach den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums sanken die Arzneimittelausgaben 2011 um 1,17 Milliarden Euro auf insgesamt 30,87 Milliarden Euro. Dies sei fast ausschließlich auf das sogenannte GKV-Änderungsgesetz zurückzuführen, erläuterten die Autoren des Reports. Noch bis Dezember 2013 gilt ein auf 16 Prozent erhöhter Herstellerabschlag für Arzneimittel ohne Festbetrag und zugleich ein Preismoratorium.

Der Rückgang der Kosten sei vor allem auf das sogenannte GKV-Änderungsgesetz zurückzuführen, sagte Paffrath. Denn trotz der sinkenden Ausgaben seien im Jahr 2011 mehr Medikamente verordnet worden. Im GKV-Änderungsgesetz ist ein erhöhter Herstellerabschlag für Arzneimittel und ein gleichzeitiges Preismoratorium bis 2013 festgelegt. Eine weitere Kostensenkung verspreche das bereits eingeführte Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), durch das neue Medikamente zunächst auf ihren Nutzen untersucht werden müssen, bevor sie in den Markt eingeführt werden.

Im ersten Halbjahr 2012 seien die Arzneimittelausgaben aber wieder gestiegen. Die entscheidende Frage werde sein, ob das AMNOG die Erwartungen in eine Senkung der hohen deutschen Arzneimittelpreise erfüllt.

Zusatznutzen wird geprüft

Das 2010 vom Bundestag beschlossene Gesetz soll die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Medikamente reduzieren. Neue Arzneimittel müssen seitdem auf ihren Zusatznutzen untersucht werden. Anschließend verhandeln Hersteller und Kassen über einen Rabatt auf den ursprünglich vom Hersteller festgelegten Preis.

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In den ersten 20 Monaten wurden dem Report zufolge 25 Bewertungsverfahren abgeschlossen. Von den 23 neuen Arzneimitteln des Jahres 2011 hatten demnach 14 einen Zusatznutzen für die Patienten. Bei acht Arzneimitteln wurde kein Zusatznutzen erkannt mit der Folge, dass vier Präparate wieder vom Markt genommen wurden. 2012 wurden bisher elf neue Arzneimittel zur Nutzenbewertung eingereicht, deutlich weniger als im vergangenen Jahr.

Einsparpotenzial von 1,7 Milliarden Euro

Das angestrebte Einsparpotenzial von zwei Milliarden Euro wird nach Ansicht der Experten nur erreicht werden können, wenn nicht nur neue Arzneien auf ihren Nutzen hin bewertet werden, sondern auch bereits gängige Mittel. Allein bei den zehn führenden patentgeschützen Arzneimitteln und den zehn umsatzstärksten Analogpräparaten könnten insgesamt 1,7 Milliarden Euro eingespart werden, heißt es in dem Report. Analogpräparate unterscheiden sich kaum oder nur marginal von bereits eingeführten Präparaten.

Insgesamt beliefen sich dem Report zufolge die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2011 auf rund 184 Milliarden Euro. Den größten Anteil hatten die Krankenhausbehandlungen mit knapp 61 Milliarden Euro, gefolgt von den Ausgaben für ärztliche Behandlungen (rund 34 Milliarden) und zahnärztliche Behandlungen (zwölf Milliarden).