Minsk. Bei der Parlamentswahl in Weißrussland sind mindestens 109 der 110 zu vergebenen Sitze an die Partei von Präsident Alexander Lukaschenko gegangen. Was für die Regierungspartei ein völlig normales Ergebnis ist, nennt die Opposition Manipulation und Lüge. Auch internationale Beobachter üben Kritik.
Die Opposition in Weißrussland hat die Parlamentswahl scharf kritisiert und der Führung von Präsident Alexander Lukaschenko Manipulation vorgeworfen. Die Wahlkommission lüge "schamlos", ihre Angaben zur Beteiligung unterschieden sich "radikal" von denen der Wahlbeobachter, sagte Christdemokrat Vitali Rimaschewski der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag. Offiziell lag die Wahlbeteiligung bei über 74 Prozent.
Zuvor hatte sich die Leiterin der Wahlkommission, Lidja Jermoschina, zufrieden über den Urnengang geäußert. Mit 74,3 Prozent liege die Beteiligung höher als "wir gehofft hatten". Von den 110 zu vergebenden Mandaten stünden inzwischen 109 namentlich fest, sagte sie weiter. Dabei sei es "wenig wahrscheinlich", dass unter den Gewählten ein Angehöriger der Opposition sei.
Wohl nur Lukaschenko-Getreue im neuen Parlament
Von den neuen Abgeordneten wurden nur die Nachnamen, aber nicht die politische Zugehörigkeit angegeben. Unter dem seit 18 Jahren regierenden Lukaschenko gibt es keine offizielle Regierungspartei. Experten gingen aber davon aus, dass das neue Parlament vollständig von Lukaschenko treu ergebenen Anhängern beherrscht sein wird.
Rimaschewski verwies auf Schätzungen seine Partei, wonach lediglich etwa 38 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten. In fast allen großen Städten habe es einen Boykott gegeben. Die beiden größten Oppositionsparteien, die Vereinigte Bürgerpartei und die Weißrussische Volksfront, sowie weitere Gruppierungen hatten die Wahl boykottiert. Sie beklagen, dass die Abstimmung bereits im Voraus zu Gunsten von Lukaschenko manipuliert worden sei. AFP-Korrespondenten berichteten von fast leeren Wahllokalen in der Hauptstadt Minsk.
Demonstranten werden in Weißrussland häufig festgenommen
Der Chef der Volksfront, Alexej Janukewitsch, erklärte, die weißrussischen Behörden hätten nicht die Gelegenheit zu demokratischen Reformen ergriffen, die Wahlgesetze zu ändern und politische Gefangene freizulassen. Anatoli Lebedko von der oppositionellen Vereinigten Bürgerlichen Partei sagte, die "Lüge" sei zur "Visitenkarte der Behörden" geworden. Das diskreditiere das Wahlsystem in Weißrussland vollkommen. "Das ist eine Sackgasse", fügte Lebedko hinzu.
Rund sieben Millionen Menschen waren in der früheren Sowjetrepublik aufgerufen, die 110 Abgeordneten des Unterhauses neu zu wählen. Lukaschenko wurde zuletzt im Dezember 2010 im Amt bestätigt. Gegen anschließende Massenproteste wegen mutmaßlicher Wahlfälschungen gingen die Behörden brutal vor. Es gab zahlreiche Festnahmen und Verurteilungen, noch heute sitzt ein Dutzend Oppositioneller und Menschenrechtsaktivisten in Haft.
Lukaschenko gab seine Stimme in Begleitung seines jungen Sohn Kolja in seinem Wahlkreis der Hauptstadt Minsk ab. "Bis jetzt gibt es nichts zu kritisieren", sagte er Journalisten. Andere Länder müssten Weißrussland um "unsere langweilige Wahl beneiden. Wir brauchen keine Revolutionen oder Umstürze", fügte er hinzu. (afp)