Berlin. . Der Mohammed-Film hat die islamische Welt in Aufruhr versetzt und in Deutschland eine breite Debatte über Gotteslästerung entfacht. Nicht nur die Kirche fordert schärfere Gesetze, auch aus der Politik sind Forderungen zu hören, Blasphemie stärker zu ahnden. Eine Analyse.

Der Hetz-Film über den Propheten Mohammed bringt die islamische Welt in Aufruhr – und entfacht in Deutschland eine heftige Diskussion über ein Thema, das längst abgehakt schien: Gotteslästerung. Eine Debatte von gestern? Oder eine notwendige Diskussion über gesellschaftliche Werte und deren Schutz? Wie auch immer – jedenfalls beschäftigt das Thema keineswegs nur die Kirchen, sondern reicht inzwischen bis in die Politik. Die Forderung nach schärferen Gesetzen gegen Blasphemie steht im Raum.

Der Aufreger

Ein Film verhöhnt den islamischen Glauben. Als Muslime von Tunesien bis Malaysia mit Gewalt und Ausschreitungen darauf reagieren, werden in Deutschland Forderungen laut, die von einer rechtspopulistischen Kleinpartei angekündigte öffentliche Vorführung des Films zu verbieten. Was viele Menschen aufregt: Wird hierzulande beispielsweise der Papst in einem Satiremagazin auf platte, geschmacklose Weise lächerlich gemacht, fordert kaum jemand ein Verbot. Stattdessen heißt es: Das ist Satire, das müssen Katholiken ertragen. Wird da mit zweierlei Maß gemessen?

Der Kirchenmann

„Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden.“ Das sagt der katholische Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Gegen „heilige Personen, heilige Schriften, Gottesdienste und Gebete sowie heilige Gegenstände und Geräte aller Religionen“ dürfe keine Verunglimpfung zugelassen werden, so Schicks Forderung. Der Oberhirte forderte deshalb bereits vor Bekanntwerden des umstrittenen Anti-Mohammed-Films: „Wir brauchen in unserem Staat ein Gesetz gegen die Verspottung religiöser Werte und Gefühle.“

Was das Gesetz sagt

Gotteslästerung gilt in Deutschland seit 1871 als Straftatbestand. Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist der Paragraf 166 des Strafgesetzbuchs jedoch eingeschränkt. Bis dahin war die „Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse“ das Kriterium. Seitdem ist die Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nur dann strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Madonna, Brian und Titanic

Die letzte Einschränkung hat es in sich. Denn stört es den „öffentlichen Frieden“, wenn sich Popstar Madonna bei ihrer Bühnenshow symbolisch kreuzigen lässt, Dornenkrone inklusive? Einen öffentlichen Aufschrei gab es im Westen jedenfalls nicht. Was ist, wenn in Monty Pythons berühmtem Film „Das Leben des Brian“ Jesus als tumber Trottel lächerlich gemacht wird? In Italien durfte der Streifen jahrelang nicht gezeigt werden – inzwischen gilt er als satirisches Meisterwerk. Und was ist mit jener Titelseite des deutschen „Titanic“-Magazins, die den Heiligen Vater als inkontinent darstellte? Der Vatikan sah einen „Angriff auf die Würde des Papstes“ und erwirkte zunächst zwar vor Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung des Heftes, zog den Antrag jedoch später wieder zurück, als die Sache in die nächste Instanz ging.

Was jetzt gefordert wird

Johannes Singhammer (CSU), Vize-Vorsitzender der Union im Bundestag, fordert seit Jahren die Verschärfung des Strafgesetz-Paragrafen 166. Die Debatte um den Mohammed-Film habe „eine neue, eine dramatische Aktualität“ erfahren, legt Singhammer nun nach. Er will jede öffentliche Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses strafbar stellen. Und Singhammer glaubt, nach den „Vorkommnissen um diesen unsäglichen Film aus den USA“ werde die Bereitschaft für eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen wachsen.

Die Gegenstimmen

Gleich zwei wichtige Minister der Bundesregierung wandten sich gegen Singhammers Forderung für ein schärferes Gesetz. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hält die geltenden Gesetze für ausreichend. Und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dringt nicht auf eine Gesetzänderung. Aber „diskutieren kann man grundsätzlich immer alles“.

Und die Folgen?

Bemerkenswert ist, dass erst die Reaktionen auf einen amerikanischen Film in der muslimischen Welt hierzulande die breite Blasphemie-Debatte in Gang setzten. Ob dieser Anstoß von außen zu einer neuen Sicht auf die Problematik (und die Gesetze) in Deutschland führt, ist noch nicht ausgemacht. Wahrscheinlich ist es aber nicht.