Hannover.. Die katholische Kirche in Deutschland will sich stärker wiederverheirateten Geschiedenen öffnen. Das ist ein Ergebnis des bundesweiten Dialogforums über die Zukunft der Kirche, zu dem sich am Wochenende rund 300 katholische Laien, Priester und Bischöfe in Hannover getroffen haben.

Am Ende rettet der ranghöchste katholische Laie den Bischöfen die Show. Zwei halbe Tage hatten die rund 300 Teilnehmer aus allen Gruppierungen der Kirche und allen Teilen Deutschlands diskutiert, wie sich ihre Kirche verändern soll – von mehr Verantwortung für Frauen über ein konkreteres Engagement für die Armen bis hin zu einer glaubwürdigeren Präsenz in der Gesellschaft. Fast wie beim Piraten-Parteitag hatten die Katholiken mit modernsten Tablet-Computern versucht, alle Diskussions-Facetten der Groß-Gruppe einzufangen.

Doch als sie aus dieser Ideen-Flut nun konkrete Arbeitsaufträge entwickeln sollen, kommt am Samstag plötzlich Unruhe auf. Wer denn wem Aufträge erteilen könne, wie viel man sich vornehmen wolle, ob die Ergebnisse später denn auch überprüft würden... – einen Moment lang droht der ganze Gesprächsprozess zu scheitern, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz vor zwei Jahren als Antwort auf den Missbrauchsskandal eingeladen hatten.

Eilig stecken die für die Organisation verantwortlichen Bischöfe Overbeck (Essen), Marx (München) und Bode (Osnabrück) die Köpfe zusammen – wer rettet jetzt die Situation? – als ihnen Alois Glück ungefragt zu Hilfe eilt. Mit wenigen, klaren Worten in seinem warmen Bayerisch beruhigt der ehemalige CSU-Politiker und heutige Präsident des Zentralkomitees der Katholiken die erregten Gemüter, in dem er klar macht wie breit das Spektrum des Veränderungsbedarfs ist, von Themen die nur die Bischöfe (oder der Papst) klären könnten, bis hin zu Dingen, die jeder Katholik direkt anpacken könne. Und prompt stehen eine gute Stunde später eine Reihe durchaus konkreter „Selbstverpflichtungen“ von Bischöfen, Priestern, Theologie-Professoren und den anderen Kirchen-Gruppen, die an der Diskussion beteiligt sind.

„Ein Wechselbad der Gefühle“

Die Szene ist symptomatisch für den ungewöhnlichen Dialog in Hannover. Symptomatisch für die Unsicherheit, dass es nach der Auftaktveranstaltung vor einem Jahr in Mannheim, bei der vor allem die Euphorie über das gelungene, offene Gespräch zwischen Bischöfen und Laien im Mittelpunkt stand, nun wirklich um konkrete Veränderungen geht. Symptomatisch für den unkonventionellen, offenen Diskussionsprozess, der seine ganz eigene Dynamik entwickelt. Letztlich aber auch symptomatisch dafür, dass sich in Hannover eine breite katholische Allianz getroffen hat, die sich grundsätzlich darüber einig ist, dass sie ihre Kirche verändern will. Nicht revolutionär, sondern behutsam – vor allem hin zu mehr Glaubwürdigkeit. Und das könne konkret zum Beispiel ein weniger dogmatischer als vor allem barmherziger Umgang mit Wiederverheirateten sein, machen viele Redner deutlich. Nicht, weil das „dem Zeitgeist entspricht“, wie konservativer Vertreter vermutet, sondern „weil Jesus so gedacht hat“, wie ihn ein anderer Teilnehmer korrigiert.

„Es war schon ein Wechselbad der Gefühle“, bilanziert am Ende Dorothé Möllenbeck, Vorsitzende des Diözesanrats im Bistum Essen, „von frustrierend bis euphorisch“. Es sei „gut, dass das Thema Frauen jetzt so hoch aufgehängt ist“, freut die Laien-Vertreterin aus dem Ruhrgebiet, „und dass einzelne Gruppen jetzt konkrete Selbstverpflichtungen abgegeben haben, an denen man sie später messen kann“.

„Offene Gespräche, auch über heikle Themen“

Dabei haben sich die Bischöfe sogar zu Dingen verpflichtet, die in Hannover allenfalls am Rande zur Sprache kamen. Es sei schon „ein wenig bedauerlich“, dass angesichts der zahlreichen innerkirchlichen Themen „die gesellschaftspolitischen ein wenig zu kurz kamen“, resümiert Münchens Kardinal Reinhard Marx. Schließlich sollte in Hannover eigentlich so etwas wie die Außenwirkung der Kirche im Vordergrund stehen. Doch offensichtlich gibt es nach wie vor auch reichlich innerkirchliche Probleme. Marx soll sich nun im Auftrag seiner Mitbrüder in der kommenden Zeit verstärkt um das Thema Nachhaltigkeit/Ökologie kümmern, während sich Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck federführend des Themas Armut annimmt und Bischof Franz-Josef Bode die vielfach vom Plenum geforderte Förderung von Frauen in kirchlicher Verantwortung voran treiben soll.

„Es waren gute, offene Gespräche, auch über heikle Themen“, sagt der Duisburger Dirk Tänzler, Vorsitzender des Bundes der deutschen katholischen Jugend. Doch jetzt müsse transparent und konkret weitergearbeitet werden. Spätestens zum nächsten Dialogforum in einem Jahr müssten Ergebnisse vorliegen.

Wie groß die Chancen auf Fortschritte etwa im Umgang mit Wiederverheirateten tatsächlich sind, könnte sich indes schon in einer Woche zeigen wenn sich die Bischofskonferenz in Fulda zu ihrer Herbstvollversammlung trifft. Denn dann sind auch die Bischöfe dabei, die – wie Kölns Kardinal Joachim Meisner – sich dem Dialog in Hannover verweigert und Reformen in diesem Bereich bislang abgelehnt haben.