Berlin.. In den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU warnt das Bundeskriminalamt vor Nachahmungstaten aus der Neonazi-Szene. Auch Prominente abseits des religiösen oder politischen Spektrums seien gefährdet, heißt es in einem Medienbericht vom Sonntag.
Das Bundeskriminalamt fürchtet offenbar weitere rechtsextrem motivierten Terroranschläge in Deutschland. Es sei "in Einzelfällen mit Tötungsdelikten" zu rechnen, zitiert das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner neuen Ausgabe aus einem internen Papier des Bundeskriminalamts vom Juli.
Angriffe von Rechtsterroristen könnten sich nicht nur gegen Ausländer, sondern auch gegen "Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland wie Politiker, Personen des öffentlichen Lebens und Polizeibeamte" richten, zitiert das Magazin weiter. Jüdische Institutionen seien ebenfalls gefährdet. Vor dem Hintergrund des starken Drucks der Strafverfolgungsbehörden im Zuge der Ermittlungen gegen die Neonazi-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" warnt das BKA dem Blatt zufolge vor Folgetätern, die sich in die Enge getrieben fühlten und "die eigene Handlungsfähigkeit durch Gewaltstraftaten unter Beweis stellen" wollten.
Rechte Szene soll über reichlich Waffen verfügen
Es müsse auch "die Bildung bislang unbekannter terroristischer Gruppen innerhalb des rechten Spektrums in Betracht gezogen werden. Die Szene verfüge über eine "nicht unerhebliche Anzahl von Waffen und Munition".
Neben den NSU-Verfahren gebe es derzeit zwei weitere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung rechtsterroristischer Vereinigungen. Die NSU-Zelle war vor einem Jahr nach dem Selbstmord zweier Mitglieder aufgeflogen. Ihr wird der Mord an zehn Menschen, hauptsächlich Ausländern, angelastet.
Unterdessen sorgen erneut Kontakte zwischen Sicherheitsbehörden und Rechtsextremisten in Thüringen für Aufsehen: Wegen Kontakten in die Neonazi-Szene hat das Landeskriminalamt jahrelang gegen eine Polizistin ermittelt. Wie das LKA am Samstag mitteilte, soll die Beamtin unberechtigt Daten in den polizeilichen Informationssystemen abgefragt und an Dritte - vermutlich Rechte - weiter gegeben haben.
Ein Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Gera wurde Ende Januar 2011 gegen eine Geldauflage von 500 Euro eingestellt. Zudem wurde die Frau 2009 zunächst vom Dienst suspendiert, dann aber - nach erfolgreicher Klage vor dem Verwaltungsgericht - gegen Zahlung einer Geldstrafe 2011 wieder eingestellt.
Das LKA bestätigte einen Bericht des "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe), wonach die Frau nun auch im Zuge der Ermittlungen zur Zwickauer NSU-Terrorzelle vom BKA vernommen wurde. Anlass war der Umstand, dass sie die 2007 in Heilbronn vermutlich von der NSU erschossene Polizistin Michèle Kiesewetter gekannt hatte. In ihrer Vernehmung beim BKA räumte die Frau "private und dienstliche Kontakte" in die rechte Szene ein.
Transparenz über Verstrickung von Polizei mit Szene gefordert
Die Linke forderte angesichts des Berichts mehr Transparenz zu möglichen rechtsextremen Vorkommnissen in der Thüringer Polizei. In der Vergangenheit habe es schon mehrfach Vorfälle gegeben, bei denen aus Polizeikreisen Unterlagen oder Daten verschwanden, die später in der rechten Szene wieder auftauchten, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Landtag, Martina Renner und forderte von der Landesregierung umfangreiche Aufklärung.
Als Vorbild nannte sie dabei das baden-württembergische Innenministerium, das im August diesen Jahres einen Bericht zu möglichen rechtsextremistischen Aktivitäten innerhalb der Polizei des Landes erstellen ließ. Im August war bereits ein Thüringer Polizist in Verdacht geraten, er habe Kontakte zu Neonazis unterhalten. (rtr/dapd)