Berlin. Der Sozialverband VdK zeigt sich wenig begeistert von der am Mittwoch im Kabinett beschlossenen Senkung der Rentenbeiträge. Zudem kritisiert der Verband, dass ab 2017 mit hohen Beitragssprüngen gerechnet werden müsse. Arbeitgeberpräsident Hundt lobt hingegen die Absicht der Bundesregierung.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auf niedrigere Rentenbeiträge hoffen. Das
Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, den Beitragssatz zum 1. Januar 2013
von 19,6 Prozent auf voraussichtlich 19 Prozent zu senken. Die SPD setzt
allerdings darauf, dass der Bundesrat das Vorhaben stoppt. Auch innerhalb der
Union stößt die Beitragssenkung nicht ungeteilte Zustimmung. Für neuen Zoff in
der Koalition sorgt die von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU)
geplante Zuschussrente.

Leyen nannte die Senkung "vertretbar". Die Rentenkasse sei so gut
gefüllt, "dass der erwerbstätigen Generation ab dem 1. Januar mehr vom hart
erarbeiteten Einkommen bleibt".

Die genaue Höhe der Beitragssatzsenkung kann erst im November
festgelegt werden, wenn entsprechende Daten der Rentenversicherung vorliegen.
Für Unternehmen und Arbeitnehmer würde eine Senkung auf 19 Prozent eine
Entlastung von jeweils 2,7 Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Wer 3000 Euro
brutto verdient, hätte neun Euro im Monat mehr in der Tasche.

SPD: Regierung agiert nach dem Motto "Nach uns die
Sintflut"

Die Entlastung steht allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass der
Bundesrat zustimmt. Die SPD-Sozialexpertin Anette Kramme sagte, sie sei "guter Dinge, dass der Bundesrat dieses
verhängnisvolle Gesetz stoppt". Die SPD-geführten Länder seien dagegen. Die
Rentenversicherung werde künftig jeden Cent brauchen, um Altersarmut zu
bekämpfen, sagte sie. "Die Regierung agiert nach dem Motto 'Nach uns die
Sintflut'."

Von der Leyen zeigte sich trotzdem optimistisch, dass die Länder der
Beitragssenkung zustimmen. Die Bundesregierung sei darüber mit den Ländern "im
Gespräch". FDP-Arbeitsmarktexperte Heinrich Kolb warnte die SPD vor einer
"Blockade-Politik".

Kritik kam aber auch aus der Union. Die jungen Abgeordneten der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion halten die Senkung Rentenbeitragssatzes für zu
weitgehend. "Ich finde es bedauerlich, dass man die Chance nicht genutzt hat, in
den Aufbau einer Demografierücklage einzusteigen", sagte der Vizevorsitzende der
Jungen Gruppe der Unions-Fraktion, Reinhard Brandl (CSU), der Nachrichtenagentur
dapd. Prinzipiell begrüße die Junge Gruppe zwar eine Entlastung von Arbeitgebern
und -nehmern. "Aber man hätte neben der Senkung einen Teil für schwierige Jahre
in der Rentenversicherung zurücklegen können."

Geteiltes Echo

Während die Arbeitgeber den Kabinettsbeschluss lobten, äußerten der
Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Sozialverband VdK scharfe Kritik.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt betonte, die Senkung sei "richtig". Trotz der
Beitragssenkung würden die Rentenreserven nach der aktuellen Vorausschätzung im
kommenden Jahr auf rund 28 Milliarden Euro anwachsen. DGB-Vorstand Annelie
Buntenbach sprach hingegen von einer "Vogel-Strauß-Politik". Die Beitragssenkung
widerspreche den demografischen Herausforderungen.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, forderte, die
Rücklagen "zur Bekämpfung der Altersarmut" einzusetzen. Eine Absenkung auf 19
Prozent bringe dem einzelnen Arbeitnehmer im Übrigen nur wenig. "Bei einem
Bruttoeinkommen von 3.000 Euro wären das neun Euro im Monat", erläuterte
Mascher.

Ministerin erwartet Ende Oktober Ja zur Zuschussrente

Von der Leyen geht unterdessen weiter davon aus, dass die Koalition
die von ihr geplante Zuschussrente für Geringverdiener billigt. Die Ministerin
sagte, der Gesetzentwurf gegen Altersarmut bleibe in der Ressortabstimmung und
werde "zu einer positiven Entscheidung Ende Oktober geführt werden". Das sei in
der Kabinettssitzung "klargestellt" worden.

Dagegen zeigte sich FDP-Generalsekretär Patrick Döring im MDR Info
davon überzeugt, dass die Zuschussrente vom Tisch ist. Weder im
Koalitionsvertrag noch im Leitantrag der CDU zum Bundesparteitag finde sich das
Thema. Offensichtlich sei die Ministerin "ein Stück weit auch allein
unterwegs".

Auch in der Jungen Gruppe der Union löst die geplante Zuschussrente
Unmut aus. Der CSU-Abgeordnete Brandl sagte: "Ich wehre mich dagegen, dass man
zusätzliche Leistungen innerhalb der Rentenversicherung auf spätere
Beitragszahler abwälzt." Wenn es darum gehe, "geringe Renten aufzustocken, dann
sollte man das aus Steuermitteln machen". (dapd)