Berlin. Erstmals fordert auch der Chef einer Krankenkasse die Abschaffung der Praxisgebühr. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sagte in einem Interview, die Krankenkassen und der Gesundheitsfonds stünden derzeit finanziell sehr gut da.

Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, fordert als erster Krankenkassenchef die vollständige Abschaffung der Praxisgebühr. "Krankenkassen und Gesundheitsfonds stehen derzeit finanziell sehr gut da. Es gibt keinen Grund, den Kranken sinnlos in die Tasche zu greifen," sagte Baas der "Bild am Sonntag". Außerdem verhindere die Praxisgebühr keine unnötigen Arztbesuche und steuere keine Patientenströme. "Sie ist schlicht ein Ärgernis - für Kranke und für Ärzte."

Die Abgabe von zehn Euro, die seit 2004 jeder Patient beim ersten Arztbesuch im Quartal bezahlen muss, bringe zwar jährlich zwei Milliarden Euro ein. Doch Baas hält diese Einnahmen für verzichtbar. Mit der Abschaffung würden nicht nur Patienten unmittelbar entlastet, sondern auch die Ärzte, weil überflüssige Bürokratie weg fiele. "Und nebenbei: Mit dem sinnlosen Ausstellen von Überweisungen auf Vorrat wäre auch endlich Schluss."

Die überwältigende Mehrheit der Deutschen befürwortet eine Abschaffung der Praxisgebühr. Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage für die Zeitung sind 77 Prozent für die Abschaffung, nur 20 Prozent wollen die Gebühr beibehalten. Emnid befragte am vergangenen Donnerstag insgesamt 503 Personen.

Arbeitgeber sind gegen Abschaffung der Praxisgebühr

Die Arbeitgeber wenden sich gegen eine Abschaffung der Praxisgebühr, die von der FDP gefordert wird. "Wer die Streichung der Praxisgebühr als finanzielle Entlastung verkauft, der täuscht die gesetzlich Krankenversicherten", zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Zehn-Euro-Gebühr pro Quartal sei Teil des Ärztehonorars, das sonst die Kassen aus den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zahlen müssten, argumentiert die BDA. Statt der Quartalsgebühr verlangen die Arbeitgeber eine Praxisgebühr von fünf Euro je Besuch, hieß es in der FAZ. Damit könnten unnötige Arztbesuche verhindert werden.

Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat wiederholt die Abschaffung der Praxisgebühr verlangt und angekündigt, das Thema in den nächsten Koalitionsausschuss zu bringen. (rtr/afp)