Moskau. Es geht um viel: Die feministische Protestband „Pussy Riot“ ist das Symbol des Widerstands gegen Präsident Wladimir Putin. Seit Montag müssen sich die drei jungen Frauen vor Gericht verantworten. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu sieben Jahre Arbeitslager.

Mascha wird nicht so oft fotografiert wie Nadja. Nadjas Lippen schimmern wie Blütenblätter, ihre Wimpern werfen geheimnisvolle Schatten. Mascha hat ein Kindergesicht, kurze Beine, sie trägt Wollstrumpfhosen. Und säße nicht noch die schweigsame Katja mit auf der Anklagebank, die kleine Mascha wäre eindeutig das Mauerblümchen des Verfahrens.

Gestern wurde die Hauptverhandlung gegen Mascha, mit vollem Namen Maria Aljochina, 24, gegen Nadja, Nadedscha Tolokonnikowa, 22, und Katja, Jekaterina Samuzewitsch, 28, in Moskau fortgesetzt. Nach vier Monaten U-Haft, nach zahlreichen Haftprüfungs- und Vorverhandlungsterminen, begann der eigentliche Prozess. Den Mädchen, Mitglieder der feministischen Protestband „Pussy Riot“ wird „Rowdytum“ vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft beleidigten sie mit einem wilden, von religiösem Hass motivierten Punktanz in der Moskauer Erlöserkathedrale die Gefühle russisch-orthodoxer Gläubiger zutiefst.

Sie flehten zur Großmutter, Putin verschwinden zu lassen

Es tue ihnen leid, wenn sich Gläubige angegriffen gefühlt hätten. Ziel der Aktion sei es gewesen, die Unterstützung des orthodoxen Patriarchen Kyrill für Wladimir Putin zu kritisieren, hieß es in einer von den Anwälten verlesenen Erklärung. Der Auftritt fand zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl statt, bei der Putin zum dritten Mal zum Staatschef gewählt wurde.

Nicht allein die über 99 Prozent Schuldsprüche vor russischen Strafgerichten sprechen dafür, dass Mascha, Nadja und Katja für jene knapp 60 Sekunden groben Unfugs wirklich mehrere Jahre Gefängnis drohen. Denn die Punkgirls schmähten vor dem Altar der Erlöserkirche nicht nur Kyrill als Hund, sie flehten auch noch zur Gottesmutter, Putin verschwinden zu lassen. Staatsmedien, orthodoxe Blogger und Juristen stellen die „Pussies“ als verstockte Gotteslästerinnen dar, die von Feminismus und Teufel geritten, Hass und Laster unter den Russen sähen wollen.

Bands wie die „Red Hot Chili Peppers“ setzen sich ein

Es ist vor allem die kleine Mascha, die dieses Feindbild vor Gericht ad absurdum führen könnte. Sie studiert Journalismus und kreative Literatur, erzieht einen fünfjährigen Sohn, schreibt Gedichte, eine Umweltaktivistin. Und eine gläubige Christin, die in einer orthodoxen Initiative ehrenamtlich mit behinderten Kindern arbeitete. „Wenn meine Handlungen und Worte jemanden beleidigt haben, möge er mir verzeihen“, schreibt sie in einem Brief aus dem Gefängnis.

Vor Gericht lächelt sie nicht in die Kameras wie die schöne Nadja, sondern still, manchmal amüsiert. Nur als einer der Ankläger vor Gericht andeutet, positive Bewertungen ihres sozialen Verhaltens an der Uni seien fragwürdig, es gäbe auch Studenten, die Unschönes über sie berichten könnten, wird sie böse: „Das glaube ich nicht, dass an der Uni jemand schlecht über mich redet.“ Selbst ein Kommilitone, der für die Kreml-nahe Komsomolskaja Prawda arbeitet, schrieb mutig: „Mascha ist mir teurer als alle Wahrheiten.“

Sie darf ihren Sohn Philipp nicht sehen, droht ihr Sorgerecht zu verlieren – aber sie lächelt. Gerade haben die drei Frauen einen Brief veröffentlicht: „Unser Lachen ist ein Lachen unter Tränen, unser Sarkasmus die Antwort auf Rechtswillkür.“ Mascha und ihre Freundinnen hoffen wohl nicht auf ein faires Urteil. Bands wie die Red Hot Chili Peppers und Franz Ferdinand setzen sich offen für „Pussy Riot“ ein, auf Benefizkonzerten wird Geld für die jungen Frauen gesammelt. Ob es hilft?