Berlin. . Islamismus und politischer Terror machen dem Verfassungsschutz zu schaffen. Dabei ist die Behörde selbst reformbedürftig. Der neue Chef Hans-Georg Maaßen steht vor einer großen Herausforderung. Zudem ist er bei einigen Politikern nicht gut gelitten.

In Deutschland gibt es immer mehr politisch motivierte Straftaten. Dies geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht 2011 hervor. So ist die Anzahl der Delikte binnen zwölf Monaten von knapp 27 200 auf gut 30 200 gestiegen. Die größte Gefahr geht aber vom Islamismus aus, warnen die Verfassungsschützer. Der Kampf gegen den islamistischen Terror dürfte ein Schwerpunkt werden für den neuen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. Am Mittwoch hat das Kabinett beschlossen, dass er Amtsinhaber Heinz Fromm zum 1. August ablöst.

Die Gefahr von rechts

Sie ist größer geworden, die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremen und der Neonazis gestiegen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) befürchtet, dass die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle Nachahmer finden könnte. Bereits 2011 gab es über 16 000 rechtsextremistische Straftaten, das sind gut 200 mehr als im Vorjahr. Davon waren 755 Gewalttaten – ein minimaler Rückgang.

Anlass zur Sorge bereitet auch der neue Höchststand von 260 rechtsextremen Kundgebungen im vergangenen Jahr. Hier zeichnet sich offenbar ein neuer Trend ab, und zwar unangemeldete, nächtliche Treffen der „Unsterblichen“. Dabei marschieren vermummte Rechtsextreme mit Fackeln. Für das Internet werden sie als Propaganda professionell aufbereitet. Es wird suggeriert, es könnten hunderte Rechtsextreme unbehelligt durch die Innenstädte marschieren.

Immerhin wird das rechte politische Lager offenbar uninteressanter für Bürger. Zuletzt waren nur noch 22 400 Personen in rechten Parteien – deutlich weniger als in den Jahren zuvor.

Die Gefahr von links

Der Linksextremismus wird immer bedrohlicher. Die Straftaten haben hier um 20 Prozent zugenommen, von 3747 auf 4502. Das zeigt sich auch bei den Gewalttaten, die sich von 944 auf 1157 Attacken erhöht haben. Für Fromm sind sie „fast schon an der Tagesordnung“. Besonders alarmierend findet der Verfassungsschutzpräsident, dass die Hemmschwelle gegenüber Polizisten gesunken ist. Passend dazu gibt es immer mehr gewaltbereite Linksextreme und Autonome. Deren Gewalt richtet sich vor allem gegen (vermeintliche) Rechtsextreme, gegen die Bundeswehr und Rüstungsbetriebe. Ein Höhepunkt linker Gewalttaten waren auch 2011 die 1.-Mai-Demonstrationen, wo es zu massiven Attacken auf Polizisten kam.

Der islamistische Terror

Von ihm gehe aktuell die größte Gefahr aus, sagte Fromm. Deshalb richtet der Verfassungsschutz sein Hauptaugenmerk weiter auf den Islamismus. Gefährlich und schwer zu überwachen sind die Islamisten, weil sie nicht nur in Netzwerken, sondern zum Teil in Kleingruppen oder als Einzeltäter Anschläge planen. So habe der „individuelle“ Jihad an Bedeutung gewonnen. Mit Sorge beobachtet Fromm auch den Zulauf bei den Salafisten, die offenbar für junge Leute interessant sind. Deren Anhängerzahl schätzt er auf 3800.

Der neue Präsident

Hans-Georg Maaßen ist seit 1991 im Innenministerium und leitet seit 2008 den Stab Terrorismusbekämpfung. Am 1. August löst der 49-Jährige den bisherigen BfV-Präsidenten Heinz Fromm ab, der vorzeitig in den Ruhestand geht. Fromm war durch den NSU-Skandal massiv unter Beschuss geraten – vor allem, nachdem bekannt wurde, dass in seiner Behörde Ermittlungsakten geschreddert worden waren.

Obwohl Maaßen als Fachmann gilt, kritisieren Linke und Grüne dessen Beförderung. Dabei geht es um den Deutsch-Türken Murat Kurnaz, der jahrelang unschuldig in Guantánamo saß. Die rot-grüne Regierung blockierte 2002 dessen Rückkehr nach Deutschland. Maaßen war damals mit dem Fall betraut.

Die Herausforderungen

Maaßen muss das BfV nach den NSU-Ermittlungspannen grundlegend umbauen, zugleich handlungsfähig halten und das schlechte Image aufpolieren. Innenminister Friedrich will bis zum Herbst die Eckpunkte für die Reform des Verfassungsschutzes vorlegen.