Johannesburg.. Nelson Mandela, südafrikanischer Nationalheld, hat zu seinem 94. Geburtstag ein Ständchen von rund zwölf Millionen Schulkindern bekommen. „Wir lieben Dich, Vater“, sangen sie am Mittwoch zu Beginn ihres Schultages. Mandela war von 1994 bis 1999 erster schwarzer Präsident Südafrikas, 2004 zog er sich aus der Politik zurück. Heute lebt der gesundheitlich angeschlagene Held der Anti-Apartheidsbewegung zurückgezogen in seinem Geburtsort Qunu.
Zwölf Millionen Schulkinder singen zu Beginn des Unterrichts im ganzen Land Happy Birthday. Sträflinge ernten gemeinsam mit dem Gefängnisminister Gemüse für Bedürftige, Angestellte eines Bierkonzerns verteilen in einem Hospital Teddy-Bären an kranke Kinder.
Zur Feier des Tages malt der Verkehrsminister eigenhändig Markierungen auf den Teer, während Studenten in Johannesburg Kuchen verkaufen, um vom Erlös warme Decken für frierende Slumbewohner zu erwerben. Einmal im Jahr suchen sich Südafrikaner aller Couleur in wohltätigem Aktionismus zu übertrumpfen: Es ist der 18. Juli, der Geburtstag ihrer nationalen Ikone Nelson Mandela.
27 Jahre in Haft
Mindestens 27-mal musste der beliebteste Politiker der Welt seinen Geburtstag alleine feiern: Während seiner Inhaftierung auf Robben Island durfte Mandela selbst am Jubiläumstag nur sechs Postkarten empfangen. Inzwischen ist der 18. Juli ein in aller Welt wahrgenommener Termin: Die Vereinten Nationen haben das Datum gar zum „Mandela Tag“ erklärt.
In ihrer Heimat ließen sich die Verwalter des Vermächtnisses der seit gestern 94-jährigen Legende etwas besonderes einfallen: Auf eine Initiative der Nelson-Mandela-Stiftung hin sollen Südafrikaner an diesem Tag 67 Minuten lang – entsprechend der Zahl der Jahre, die Mandela dem Wohl seines Landes opferte – eine Tätigkeit verrichten, die der Gemeinschaft zu Gute kommt.
Nelson Mandela ist zum internationaler Markenname geworden
Jahr für Jahr wird der Aufruf inbrünstiger befolgt – entsprechend des Ruhms des Jubilars, der trotz seiner immer deutlicher werdenden Altersschwäche von Jahr zu Jahr weiter steigt. Nelson Mandela sei längst ein internationaler Markenname, der höchstens von Coca Cola übertrumpft wird, bemerkt Janis van der Westhuizen, der das Phänomen der „Mandela-Manie“ unter Gesichtspunkten des Marketings untersucht: „Wenn man Mandela als kommerzielles Gut betrachtet, ist er irgendwo zwischen Coca Cola und Microsoft angesiedelt.“
Am Kap der Guten Hoffnung weiß jeder, wie wertvoll der Name oder das Antlitz des Befreiungshelden ist: Die Rechtsabteilung der Mandela-Stiftung ist ständig damit beschäftigt, Drohbriefe an Designer, Viagrapillen-Vertreiber oder Hersteller von Kühlschrankmagnete zu schreiben, die den Namen des Halbgöttlichen vergeblich, also ohne Copyrechte führen.
Streit in der Familie
Wer mit dem Schriftzug oder dem unverkennbaren Gesicht des allseits beliebten Staatsgründers werben darf, bestimmt die Stiftung – die einerseits auf die Einkünfte aus dem Rechteverkauf angewiesen ist, andererseits jedoch aufpassen muss, dass die kantige Heldengestalt nicht kommerziell überstrapaziert wird und zur süßen Disney-Kitschfigur verkommt.
Mandela - 20 Jahre frei
Einer der Widersacher der Vermächtnisverwalter ist dabei die Mandela-Familie selbst, die von ihrem prominentesten Mitglied ebenfalls zu profitieren sucht. Immer wieder geraten Stiftung und Familie aneinander, wenn es um die Veräußerung von Rechten geht: Derzeit streiten sich zwei Mode-Labels – das nach Mandelas Häftlingsnummer benannte Kleiderlogo „46664“ und das von Familienmitgliedern gegründete „Long Walk to Freedom“ – um den Anspruch der Authentizität.
Zerstrittener ANC
Selbst innerhalb der Familie steht der Haussegen schief: Gegenüber stehen sich der Winnie-Mandela-Zweig mit deren zwei Töchtern und Enkeln sowie die Kinder und Kindeskinder aus Mandelas erster Ehe mit Eyelyn. Erst vor wenigen Tagen wurden die Spannungen wieder akut, als die Evelyn-Enkelin Ndileka Mandela die Einladung des ANC-Präsidenten Jacob Zuma zu einer Mandela-Vorlesung im Namen der Familie annahm: Winnie, die dem Zuma feindlich gegenüberstehenden Flügel der tief zerstrittenen Partei (African National Congress) angehört, bezichtigte sie daraufhin als familiären Spaltpilz und als „Lügnerin“.
Bekäme Nelson Mandela mit, in welche Tiefen seine heiß geliebte Organisation ANC gesunken sei, würde ihm vermutlich das Herz brechen, meint ein alter Freund des Jubilars: Zu seinem Glück bewahrt ihn die Demenz vor all zu schmerzhaften Erkenntnissen.