Essen. Die Mehrheit der Deutschen halten die Abgeordneten im Bundestag für überfordert, leicht beeinflussbar und zu wenig engagiert: Dieses Umfrageergebnis sollte alarmieren - denn es ist ein Votum gegen den Parteienstaat mit seinen Karrieristen. Ein Kommentar.
Die Wahlbeteiligung rauscht bergab. Die Piraten, provozierend-naiver Gegenentwurf zu den etablierten Parteien, entern die Parlamente. Offenbar haben sich politische Klasse und Bürger, Gesellschaft und Staat erheblich voneinander entfernt. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass dem Politikbetrieb im Bundestag ein verheerendes Zeugnis ausgestellt wird. Wenn zwei Drittel der Bürger den Bundestagsabgeordneten fehlendes Engagement und Sachkompetenz unterstellen, dann ist das alarmierend.
Aufhorchen lässt die Forderung von fast 80 Prozent der Bürger, dass Parlamentarier unabhängiger von ihrer Partei und Fraktion abstimmen sollten. Das ist ein deutliches Votum gegen den Parteienstaat, bei dem immer noch zu viele Parteisoldaten durch Strippenziehereien in Kungelrunden ihren Aufstieg begründen. Viel zu viele Parteikarrieristen im Leben nichts anderes gemacht haben als Politik. Dementsprechend abgedroschen sind deren Worthülsen im Talkshow-Potpourrie. Unangepasste Seiteneinsteiger mit mutigen Ideen oder gar Visionen haben bei den traditionellen Parteien kaum eine politische Chance.
Warum nicht die Anzahl der Sitze an die Wahlbeteiligung koppeln?
Auch unser Wahlrecht verhilft Politikern ins Parlament, die zwar beim Wahlvolk keine Schnitte bekommen, aber durch Spitzenplätze auf Parteilisten ins Parlament gespült werden. Dagegen haben Direktkandidaten in ihrem Wahlkreis erfolgreich Mehrheiten eingefahren und sind mithin stärker dem Wählerwillen vor Ort verpflichtet.
Vielleicht könnte man auch mal darüber nachdenken, die Anzahl der Sitze im Parlament an die Wahlbeteiligung zu koppeln. Wenn weniger wählen, dann gibt es auch weniger Parlamentarier. Vielleicht würden dann wirklich nur die Besten für uns Politik machen.