Düsseldorf.
Ein in die Jahre gekommenes Mietshaus in bevorzugter Wohnlage mit alteingesessener Mieterschaft, irgendwo in NRW. Der Immobilienbesitzer lässt von September bis November zunächst die alte Nachtspeicherheizung austauschen. Die Wände müssen aufgestemmt werden, die Wohnung lässt sich in der Bauphase nur notdürftig heizen. Von Februar bis April sind neue Fenster fällig. Und wenn der Sommer Einzug hält, wird von Juni bis August ein Baugerüst aufgestellt zur Fassadendämmung. Die Bewohner können trotz dramatisch gesunkener Lebensqualität ihre Miete nicht mindern, da es sich um energetische Sanierungsmaßnahmen handelt. Und als die Bauarbeiten abgeschlossen sind, werden elf Prozent der horrenden Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen. Die alteingesessene Mieterschaft kann sich das attraktive Wohnviertel plötzlich nicht mehr leisten.
Mieter wären doppelt gestraft
So ungefähr sieht das Drohszenario aus, das zurzeit im NRW-Justizministerium durchgespielt wird. Die rot-grüne Landesregierung hält die von der Bundesregierung angeschobene Mietrechtsreform für sozial unausgewogen. Ändern kann sie wenig, denn beim Gesetzgebungsprozess ab Herbst haben die Länder keine Blockademöglichkeit. NRW will zumindest die öffentliche Debatte befeuern.
Kern der Reform ist die Aussetzung des Mietminderungsrechts bei energetischen Sanierungen. Vermieter, die in die energetische Sanierung ihrer Häuser investieren, sollen für die Dauer von drei Monaten nicht mehr fürchten müssen, dass Bewohner wegen Drecks und Baulärms die Miete kürzen. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sieht hierin eine Aushöhlung des sozialen Mietrechts. Seine Bedenken: Baumaßnahmen könnten durch die neue Drei-Monats-Frist unnötig in die Länge gezogen werden. Luxussanierungen und bloße Erhaltungsmaßnahmen könnten als energetische Modernisierungen verkleidet werden. Bewohner wären doppelt gestraft, weil sie für die zeitweilig schlechte Wohnqualität keine Möglichkeit zur Mietkürzung besitzen und später monatlich mehr zahlen, weil der Vermieter elf Prozent der Sanierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen darf. Geringere Nebenkosten, sagt der Mieterbund, fangen höhere Kaltmieten bei weitem nicht ab.
Für den Bund ist die Mietrechtsreform dagegen ein weiterer Baustein der Energiewende. Der Gebäudesektor gilt als größter Klimasünder, da hier 38 Prozent der Energie verbraucht werden. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten mindestens zwei Prozent der rund 18 Millionen Gebäude in Deutschland jährlich erneuert werden. Nach Erhebungen der Deutschen Energieagentur sind 65 Prozent aller Fassaden ungedämmt, 60 Prozent aller Fenster schlecht isoliert. 80 Prozent der Öl- und Gasheizungen entsprechen nicht dem Stand der Technik.
Da die Eigentumsquote bundesweit bei nur 45 Prozent liegt, spielen Mietwohnungen eine entscheidende Rolle. Noch immer wird nach wirksamen Anreizen gesucht, Vermieter zur Modernisierung zu bewegen. Milliardenschwere Förderprogramme gibt es bereits. Zudem ringen Bund und Länder um die Kostenübernahme für einen neuen Steuerbonus. Die Mietrechtsreform soll nun zusätzliche Anreize schaffen.
Eigentümer begrüßen die Pläne
Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ begrüßt den Vorstoß, da mögliche Mietminderungen gerade private Vermieter vor energetischen Sanierungen zurückschrecken ließen. Das Festhalten an der bereits in den 1970er Jahren geschaffenen Möglichkeit, elf Prozent der Kosten für bessere Dämmungen und modernere Heizungen auf die Jahresmiete aufzuschlagen, ist den Eigentümern ebenfalls wichtig. Selbst wenn sich derartige Mieterhöhungen nur in begehrten Gegenden in Düsseldorf, Köln, Bonn, Münster oder einigen Teilen Essens durchsetzen lassen.
Justizminister Kutschaty hält die historische Umlagemöglichkeit angesichts niedriger Bankzinsen für überholt und maximal neun Prozent Mietaufschlag pro Jahr für vertretbar. In den begehrten Ballungsräumen drohe eine weitere Steigerung der Mieten, „die sich Familien mit Kindern dann nicht mehr leisten können“.