Angst ist ein schlechter Ratgeber. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Ferne die Dimensionen der Eurokrise herunterspielt, warnt Finanzminister Wolfgang Schäuble in Karlsruhe vor dem Kollaps in der Eurozone. Jeder, wie es ihm beliebt.

Merkel macht ihren Job. Sie wirbt im Ausland um Vertrauen in den Euro; Schäuble aber verteidigt vor dem Bundesverfassungsgericht die deutsche Euro-Politik, und da geht es nicht um die Psychologie der Märkte. Auf dem Prüfstand steht die Architektur der Demokratie.

Die Richter haben nicht über den ökonomischen Sinn oder Unsinn von Rettungsschirm und Fiskalpakt zu entscheiden. Sie prüfen, ob die Macht bleibt, wo sie dem Grundgesetz nach hingehört: beim Volk und seinen gewählten Abgeordneten.

Wahl des kleinerem Übels

Daran herrschen Zweifel. Endgültig werden die erst im Hauptverfahren geklärt. Im Eilverfahren geht es um die Folgenabwägung: Richtet es den größeren Schaden an, wenn der Bundespräsident die Gesetze nicht unterschreibt und sie sich später als verfassungskonform erweisen? Oder ist der Schaden größer, wenn die Gesetze – unwiderruflich – verbindlich werden und sich dann als grundgesetzwidrig erweisen?

Die Europapolitik liegt zum wiederholten Mal beim Verfassungsgericht, und in die Enge getriebene Politiker sprechen nun gern von einer Volksabstimmung. Die ganze Wahrheit aber ist: Die Vertiefung der Europäischen Union ist ein guter Anlass für eine neue, vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossene Verfassung, die wirklich mehr Europa zulässt.