Essen. Die brutalen Video-Bilder der letzten Jahre von Gewalttaten in U-Bahn-Schächten wirken: Jugendgerichte werden mit dem Warnschussarrest bald eine neue „erzieherische Maßnahme“ anordnen können - wahrscheinlich zum 1. Januar 2013.

Beim Warnschussarrest werden junge Leute bis zum Alter von 21 Jahren, die zu einer haftfreien Bewährungsstrafe verurteilt sind, durch richterlichen Beschluss während der Bewährung in einen Kurzzeit-Aufenthalt von bis zu vier Wochen in eine Arrestanstalt eingewiesen.

Die NRW-Justizbehörden bereiten sich darauf vor. 262 Plätze in den Jugendarrestanstalten Bottrop, Düsseldorf, Essen, Lünen, Remscheid und Wetter sind für den Warnschussarrest vorgesehen. Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD) will aber nach einiger Zeit die Auswirkungen der Regelung überprüfen.

Bewährung als Freispruch zweiter Klasse

Der Bundestag hatte schon vor drei Wochen zugestimmt. Auf die Arrestanten, heißt es im der Gesetzestext der schwarz-gelben Bundesregierung, solle dort „erzieherisch eingewirkt“ und ihnen soll „die Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten verdeutlicht werden“. Denn viele „begreifen die Bewährung als Freispruch zweiter Klasse“, sagt Michael Boddenberg, CDU-Bundesratsminister aus Hessen. Auch sollen sie für begrenzte Zeit einem Umfeld mit „schädlichen Einflüssen“ entzogen werden.

Die rot-grüne Regierung in NRW glaubt dagegen, dass der schädliche Einfluss erst hinter den Mauern entsteht. „Die Rückfallquote nach einem Arrest liegt heute schon bei 70 Prozent“, sagt Justizsprecher Detlef Feige, „ein Warnschussarrest bedeutet im schlimmsten Fall einen neuen Schub für kriminelle Karrieren.“

10.000 Verurteilungen

Jedes Jahr werden in NRW rund 10 000 Minderjährige nach dem Jugendstrafrecht zur Bewährung verurteilt. Wie oft die Gerichte an Rhein und Ruhr die neuen Paragrafen tatsächlich nutzen werden, ist offen.

Der Chef des Kriminologischen Forschungsinstituts, Prof. Christian Pfeiffer, weist kritisch darauf hin, dass das Ausmaß der Jugendkriminalität seit 1993 gesunken sei – von 6,8 auf 5,9 Millionen Straftaten.

Mit dem Warnschussarrest tritt auch die Anhebung der Höchststrafe für Jugendliche von zehn auf fünfzehn Jahren Haft in Kraft. Sie gilt für schwerste Delikte wie Mord.