Stuttgart.. Für 4,7 Milliarden Euro kaufte die Landesregierung Baden-Württemberg Ende 2010 EnBW-Anteile vom französischen Atom-Konzern EDF zurück. Das Parlament wurde erst im Nachhinein informiert. Der hohe Preis steht seit langem in der Kritik. Doch nun wirft ein reger Mail-Verkehr des damaligen CDU-Regierungschefs Stefan Mappus zunehmend Fragen auf. Ein Untersuchungsausschuss prüft die dubiosen Hintergründe.

„Bitte achte darauf, dass Du das durchziehst“. Oder: „Du wirst Anrufe von zahlreichen Banken bekommen. Du musst das alles ablehnen“. Oder auch: „Frag Mutti“. Mutti – das ist der respektlose Begriff für Angela Merkel, die Bundeskanzlerin. Darf ein Manager in diesem Befehlston mit einem deutschen Ministerpräsidenten reden?

Der Ministerpräsident war Stefan Mappus (46), von Februar 2010 bis Mai 2011 CDU-Regierungschef in Baden-Württemberg. Sein Gesprächspartner war Dirk Notheis, Deutschlandchef der Bank Stanley Morgan. Er beriet Mappus, als der vom französischen Konzern EDF die Anteile am Energieversorger EnBW abkaufte. Man kannte sich aus der Jungen Union. Alte Kumpel.

Vom Volk gefeuert

Mappus hat nichts mehr zu lachen. Das Volk hat den CDU-Mann nach nur 15 Monaten gefeuert, und jetzt holen ihn die letzten Amtsmonate ein. Seine grün-roten Nachfolger mutmaßen, er habe den Franzosen zwei Milliarden Euro zu viel für das Aktienpaket überwiesen. Verfassungsrichter werfen ihm vor, er habe den Milliarden-Deal rechtswidrig am Parlament vorbei abgewickelt. Und da sind vor allem diese ver­rückten, verräterischen E-Mails. Sie scheinen zu belegen, wie er bei der geheim gehaltenen Operation – Codename „Olympia“ – wie eine Puppe am Faden des Investmentbankers gezappelt hat.

Baden-Württemberg erlebt in ­diesen Tagen eine Politposse. Oder ist es ein Wirtschaftskrimi, der am Ende alle Vorurteile bestätigt, die Politik sei nur vom großen Geld ­abhängig? Noch ist unklar, warum der damals aufstrebende Christ­demokrat im Herbst 2010 dem Pa­riser Atom-Riesen den 46,5-prozentigen Anteil im Alleingang abkaufte.

Reger Mailverkehr mit dem Berater

Keiner nimmt ihm die Version ab, Mappus habe die Stromversorgung im Ländle sichern wollen. Drängte die EDF? Oder wollte der Ministerpräsident vor dem anstehenden Wahltag vom elendigen Streit um den Bahnhof Stuttgart 21 mit einer Großtat auftrumpfen – koste das, was es wolle? Am Schluss zahlte Baden-Württemberg 4,67 Milliarden.

Seinem Nachfolger Winfried Kretschmann (Grüne) ist die ­Höhe des Preises früh aufgestoßen – und der Ausschuss des Landtags, der die Hintergründe klären soll, prüft nun den regen E-Mail-Verkehr zwischen Mappus und der Investmentbank. Die hatte der CDU-Politiker Mappus damals ohne Ausschreibung als Berater engagiert.

Schlichte Scherz-Vorgaben

Die E-Mails verschlagen den ­Abgeordneten die Sprache. Banker Notheis, so scheint es, hat Handeln und Auftritte des Regierungschefs ferngesteuert. Merkel sei erst „kurz vor“ der Transaktion zu informieren, so ordnete er aus dem Flugzeug an. Und: „freundliche Journalisten“ solle Mappus einladen. Sollten die überrascht äußern, was ihn angesichts solcher Verstaatlichung denn noch vom Sozialdemokraten Sigmar Gabriel unterscheide, müsse Mappus sagen: „Ich bin einige Kilo leichter. Scherz beiseite…“

Wer ist dieser Notheis? Gerne gab er, einerseits, an mit den Kontakten zum vermeintlich mächtigen Mappus: „Er kann Angela mit seinen Truppen töten“. Andererseits: Die Stuttgarter Mehrheitsparteien ­Grüne und SPD zweifeln inzwischen an einer fairen Beratung der Mappus-Regierung durch das Bankhaus. Ihr heimlicher Verdacht: Notheis könne dem Verkäufer EDF in die Hände gespielt haben.

Unter Zwillingsbrüdern

Der smarte Mann von Stanley Morgan jedenfalls mailte René Proglio, seinem Kollegen in Frankreich, der vereinbarte Verkaufspreis von 40 Euro pro Aktie sei „mehr als ­üppig, wie wir wissen“. Pikant: Proglios Zwillingsbruder Henri ist Vorstandschef der EDF. Und gezahlt wurden letztlich 41,50 Euro pro Aktie.

Die grün-rote Regierung am Neckar hat die Bankenaufsicht Bafin eingeschaltet, lässt mögliche Verquickungen prüfen. Gestern nahmen die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss den Stanley-Morgan-Mitarbeiter Kai Tschöke in die Mangel.

Land fordert zwei Milliarden zurück

Der versichert, mögliche Interessenskollisionen zwischen den Zwillingen habe man überprüft und ausgeschlossen. Der Kaufpreis sei reell und manche bekannt gewordene Mail aus dem Zusammenhang gerissen. Die Landesregierung bleibt hart: Angesichts der Ungereimtheiten fordert sie rund zwei Milliarden Euro zurück – oder will den ganzen Kauf für nichtig erklären.

Die 20 000 Beschäftigten der EnBW befürchten nun, am Ende könne Russlands Gazprom den ganzen Laden übernehmen.