Düsseldorf. Hannelore Kraft ist die alte und neue Regierungschefin in Düsseldorf. Jetzt wird dort mit Spannung erwartet, wie ihr Kabinett aussehen wird. Erste Überraschung: Der Ostfriese Garrelt Duin soll neuer Wirtschafts- und Industrieminister werden. Und der Oberhausener Michael Groschek Verkehrsminister.

NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) greift für die Besetzung des NRW-Wirtschaftsministeriums auf ein Nordlicht zurück: Nach Informationen dieser Zeitung soll der Ostfriese Garrelt Duin, derzeit wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD- ­Bundestagsfraktion, das neu ­geschnittene Ressort Wirtschaft, Energie, Industrie, Handwerk und Mittelstand leiten.

Damit ist Duin, gesprochen Dün, für dieses Schlüsselressort erneut ein Nord-Import: nach Peer Steinbrück, der 1998 vom Wirtschaftsministerium Schleswig-Holstein nach NRW wechselte und Ernst Schwanhold, der ab 2000 das Haus führte. Schwanhold war wie Duin wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Duin stammt aus dem niedersächsischen Landesverband, hat eine große Nähe zum SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wie auch zum Vize-Fraktionschef Hubertus Heil, beides Niedersachsen. In Industriekreisen wird der 44-jährige Jurist als industriepolitisches Schwergewicht bezeichnet.

Duin will Ökonomie und Ökologie miteinander „versöhnen“

Er gelte als pragmatisch, industriepolitischen Belangen sehr aufgeschlossen, auch was neue Technologien angeht. Er ist einer von drei Sprechern des Seeheimer Kreises, der sich in der SPD als Gegengewicht zu den Parteilinken versteht.

Duin hat maßgeblich mitgearbeitet an dem Konzept „Sozialdemokratische ­Industriepolitik – Impulse für Deutschland 2020“ und dort den Begriff einer „integrierten ­Industriepolitik“ geprägt. Diese soll effiziente Ökonomie und nachhaltige Ökologie miteinander ­versöhnen.

„Gegrilltes“ mag er ganz besonders

In der Energiepolitik vertritt der im ostfriesischen Leer geborene Duin die Positionen, die Kraft auch im NRW-Wahlkampf nach vorne geschoben hat: Die Energie-inten­siven Betriebe seien auf akzeptable Energiepreise angewiesen. Spannend dürfte werden, wie sich der Sozialdemokrat mit dem Chef des Umweltministeriums, Johannes Remmel, versteht. Die Grünen ­haben wichtige Befugnisse im Feld der Energiepolitik.

Wie zügig Duin, der Besucher auf seiner Homepage mit „Moin“ und einem „Ostfriesisch. Klar.“ im Untertitel begrüßt, in NRW ankommt, bleibt abzuwarten. Bei seinen Top-5-Vorlieben ist ein Anfang schon gemacht: „Gegrilltes“ steht auf Platz eins – vor der „Seezunge“.

Heimspiel für den alten Parteistrategen

Ein Heimspiel als Minister hat der zweite Neue in der Regierung. Michael Groschek, in Oberhausen geboren, soll das Ministerium für Bauen und Verkehr führen.

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Eigentlich wollte Groschek bald den Rückzug aus der Landespolitik antreten – nach über elf Jahren als beiß- und angriffslustiger Generalsekretär der NRW-SPD wird er im Spätsommer das Amt räumen.

Jetzt aber will Regierungschefin Kraft den 55-Jährigen als neuen Bau- und Verkehrsminister berufen. Deshalb scheint es nur eine Frage der Zeit, bis Groschek sein Bundestagsmandat abgibt. Seit 2009 sitzt er für den Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken in Berlin.

Wahlkampf ist sein Element

In Düsseldorf ist „der gerechte ­Genosse“, wie er in einem Porträt in Anspielung auf seinen Gerechtigkeitssinn tituliert wurde, bisher nicht als Experte für sein künftiges Ressort aufgefallen. Das mag auch daran liegen, dass Groschek sich in den vergangenen Jahren voll der Parteiarbeit widmete. Vor Wahlen lief er zu großer Form auf und kam sich manchmal vor, „wie ein Zirkuspferd in der Manege, das unruhig wird und manchmal schnaubt“. Der Wahlkampf ist sein Element.

Dennoch ist ihm seine neue Aufgabe nicht fremd. Im Bundestag ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – er weiß um die besondere Bedeutung der Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik gerade für das Ruhrgebiet.

Geerdet in der Kommunalpolitik

In die Feinheiten seines Ministeriums wird sich der Verteidigungspolitiker noch vertiefen müssen. Bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen soll er überzeugt haben. Als Vorteil dürfte sich für den erfahrenen Parteimanager ­erweisen, dass er politisch mit allen Wassern gewaschen ist. „Wir müssen volksnah sein, ohne nach dem Mund zu reden“, kritisiert Groschek mitunter das ­Dasein im Raumschiff Berlin.

Geerdet hat ihn die Kommunalpolitik. Bereits 1984, nach seinem Studium für Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Essen, kandidierte er für den Rat in Oberhausen. Sein Aufstieg bis zum SPD-Fraktionschef im Jahre 1988 begann unter dem Einfluss des mächtigen Heinz Schleußer. Bis 2001 führte Groschek die Fraktion. Im März wurde er, der zu den Vertrauten Krafts zählt, Vorsitzender der SPD Oberhausen.