Athen. . Konfrontative, konflikthafte Symbolpolitik ist in Griechenland an der Tagesordnung, sagt Politikwissenschaftler Giorgos Terizakis. Ein Gespräch über die Wahl in Griechenland.
Giorgos Terizakis ist Politikwissenschaftler an der TU Darmstadt und hat zuletzt ein Buch über das politische System Griechenlands herausgegeben. Über die Wahl in Griechenland sprach er mit der NRZ.
Herr Terizakis, nun haben die Griechen ja doch so gewählt, wie es sich das restliche Europa erhofft hat. Sind Sie erleichtert über den Wahlausgang?
Erleichtert würde ich nicht sagen. Mir ist wichtig, dass es bei einer Wahl echte Alternativen gibt. Insofern darf man dann nicht den Fehler machen und nur eine Möglichkeit als die Richtige auszugeben.
Genau genommen hatten die Griechen doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder dem populistischen Wahlversprechen des linken Wahlbündnisses SYRIZA glauben, dass ein Verbleib im Euro-Raum ohne Sparen und Reformen möglich ist. Oder die konservative Nea Dimokratia (ND) wieder an die Macht bringen, die zusammen mit der sozialistischen PASOK das Land ist den Schuldenruin getrieben hat. Letzteres ist bekanntlich eingetreten.
Syriza sprach eindeutig davon, dass gesamte Memorandum (Anm. d. Red. so wird in Griechenland der vereinbarte Sparkurs mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfond genannt) verhandeln zu wollen, also nicht nur die Zeitschiene zu verändern, wie es ja längst in Brüssel diskutiert wird. Nein, es ging tatsächlich auch darum, die Höhe der Rückzahlung auf den Verhandlungstisch zu bringen. Diese Strategie erinnerte mich etwas an die der sozialistischen PASOK vor der Wahl 1981, als der Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft (EG) als kapitalistischen Club propagiert wurde, um anschließend – nach dem Wahlsieg – sich mit der EG an den Tisch zu setzen und Aufbauprogramme für die Mittelmeerregion auszuhandeln.
SYRIZA hat sich also lediglich daran erinnert, dass die europäische Staatengemeinschaft mit ihren engen Verflechtungen auch zum Fallstrick werden kann, wenn ein einziger Staat kaltschnäuzig genug ist, um die anderen zu erpressen?
So würde ich das nicht sagen. Ich wollte damit nur durchblicken lassen, dass in Griechenland, nicht alles so heiß gegessen wird, wie vor der Wahl gekocht wurde. Konfrontative, konflikthafte Symbolpolitik ist in Griechenland an der Tagesordnung. Es geht weniger um Sachthemen, als um große Konflikte, um die richtige Deutung.
Diese politische Tradition an Konfrontation dürfte nun auch eine Koalitionsfindung in Athen erschweren. Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, hat einen Regierungsauftrag, aber lauter koalitionsunwillige Gesprächspartner, oder täuscht der Eindruck?
Der Eindruck täuscht nicht. Ich halte es nicht für eine ausgemachte Sache, dass die Koalitionsbemühungen der ND von Erfolg gekrönt sein müssen. Es gäbe auch eine linke Mehrheit. Das Verhalten der PASOK-Führung wird hier wohl den Ausschlag geben. Wenn sie sich durchringen, das jetzige Memorandum mitzutragen – sie haben es ja mit verhandelt -, dann dürfte einer Koalition der beiden ehemaligen Volksparteien nichts im Wege stehen. PASOK wird sich aber noch ein wenig zieren, schon allein wegen der eigenen Wählerklientel.
Dürfen die Griechen, darf Europa demnächst auf bessere Nachrichten aus Athen hoffen?
Politikwissenschaftler tun sich mit Prognosen schwer. Insofern hängt die Beantwortung der Frage vom Verlauf und Erfolg der Regierungsbildung ab. Stabile politische Verhältnisse dürften mittelfristig auch die wirtschaftliche Not lindern.
Auch wenn sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle bereits mit den Worten zitieren lässt, es werde keine Rabattierung für die neue griechische Regierung geben?
Es kommt darauf an, was mit Rabattierung gemeint ist. Ich meine, dass die Verantwortlichen in Brüssel und anderswo in Europa der neuen Regierung in Athen eine Starthilfe geben müssen. Diese könnte zum Beispiel darin bestehen, Griechenland mehr Zeit beim Abbau des Defizites einzuräumen. Das wäre politisch klug, denn Samaras braucht nun schnell Erfolge in Europa, auf ihn wartet eine starke Opposition – im Parlament und auf der Straße.