Essen.. Eingewanderte Fachkräfte finden in ihrem Beruf oft keine Stelle. Die Stiftung Mercator will ihnen helfen, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Vielen fehle das Bewusstsein, dass es viele gut ausgebildete Migranten gebe. „Das muss doch nicht sein in einem Land mit Fachkräftemangel.“
Mabwab Clement Matweta kann sich gut an den Tag erinnern, an dem er beschlossen hat, Deutsch zu lernen. Es war 1996, der Kongolese lebte in einem Heim für Asylbewerber in Essen. „Beim Metzger stand auf allen Schildern Angebot“, erzählt er, „ich hielt es für das deutsche Wort für Fleisch“. Als Matweta zwei Kilo „Angebot“ verlangt, ist das Gelächter unter den Fleischereifachverkäuferinnen groß. Zurück im Heim fasst er den Entschluss, einen Deutschkurs zu besuchen. Dies wird ihm bald zu seinem ersten Job in Deutschland verhelfen: Übersetzer in Asylangelegenheiten. Davon, in seinem Beruf zu arbeiten, ist der Maschinenbau-Ingenieur weit entfernt. Sein afrikanisches Diplom wird nicht anerkannt.
Es sind Menschen wie Matweta, der inzwischen 50 Jahre alt ist und in Essen heimisch, für die das Projekt „Pro Salamander“ erfunden wurde. Mit Unterstützung der Stiftung Mercator wollen die Universitäten Duisburg-Essen und Regensburg zugewanderten Akademikern zum deutschen Abschluss verhelfen – und damit ihre oftmals schlechten Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt erhöhen.
„Wir diskutieren Migration immer im Bereich niedrig Qualifizierter“, sagt Ute Klammer, Prorektorin für Diversity Management an der Uni Duisburg-Essen. „Wir haben nicht im Bewusstsein, dass wir viele gut ausgebildete Migranten haben.“ Laut Experten ein gesellschaftlicher Skandal. Klammer: „Das muss doch nicht sein in einem Land mit Fachkräftemangel.“
Dimitri Morochnyk kam 2008 aus der Ukraine nach Deutschland. Er ist Maschinenbau-Ingenieur. Während der Besuche im Essener Arbeitsamt wurde ihm schnell klar: Es gibt keine Hoffnung auf einen Job, der seiner Qualifikation entspricht. Stattdessen wird dem Familienvater eine Fortbildung zum Technischen Betriebswirt angeboten. Er nimmt an, lernt parallel weiter Deutsch. Herumsitzen ist nichts für den 39-Jährigen. „Ich muss etwas machen“, sagt er. Eine Stelle hat ihm das immer noch nicht gebracht. Obwohl er jetzt auch Englisch lernt.
Akademiker im Teufelskreis
Matweta und Morochnyk gehören zu den ersten Bewerbern für das Pilotprojekt, das im Oktober startet. 32 Teilnehmer können in der ersten Runde dabei sein, gefördert mit 800 Euro monatlich. Eine wichtige Voraussetzung, denn laut Ute Klammer stecken viele zugewanderte Akademiker in einem Teufelskreis: Sie sind unterqualifiziert beschäftigt zu niedrigen Löhnen oder beziehen Hartz IV. Damit sie sich jedoch weiterbilden können, müsste sie jemand finanzieren. Auf Bafög, Stipendien oder Geld vom Arbeitsamt könnten sie nicht zählen.
Hochqualifizierte Ausländer mit nichtdeutschem Abschluss fallen durch alle Raster. Daran ändert auch ein neues Gesetz nichts, welches zugewanderten Akademikern seit April eine unkomplizierte Prüfung ihrer Qualifikation zusichert. Ist diese gleichwertig mit einem deutschen Abschluss, wird sie zügig anerkannt. Das Bundesbildungsministerium geht davon aus, dass 2,9 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund ihren höchsten beruflichen Abschluss im Ausland erworben haben.
Würden Mabwab Clement Matweta und Dimitri Morochnyk für „Pro Salamander“ ausgewählt, sie könnten in zwölf bis 18 Monaten einen deutschen Bachelor- oder Masterabschluss haben, eines der Ziele des Projektes. Ein weiteres ist es, den ausländischen Akademikern bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt zu helfen. Bisher beteiligen sich zwei Fakultäten pro Universität an dem Programm: Ingenieurwissenschaften und Wirtschaftsinformatik in Duisburg-Essen, Wirtschaftswissenschaften sowie Sprach- und Kulturwissenschaften in Regensburg. Jeder Bewerber erhält die fachliche, sprachliche und methodische Nachqualifizierung, die er braucht.
Die Geschichte von Mabwab Clement Matweta zeigt die Willenskraft und den Improvisationsreichtum, zu dem viele akademische Migranten gezwungen sind. Erst arbeitete der Deutsch-Afrikaner als Übersetzer, später als anerkannter Dolmetscher. Er machte das deutsche Abitur, hatte Jobs bei Caritas und Diakonie. Absolvierte eine Fortbildung zum Solartechniker, arbeitete fürs Jugendamt. 2010 gründete er einen Sozialdienst für afrikanische Migranten.
Matweta hat es nicht nötig, mit einem deutschen Dokument sein Können zu bezeugen. Dennoch will er mitmachen bei „Pro Salamander“. Will zurück an die Uni, trotz seines Alters. „Das wäre ein Zeichen“, sagt er, „ein Zeichen auch für meine Kinder: Wir sind angekommen.“ Bewerbungen sind bis 30. Juni möglich: www.prosalamander.de.