Washington. . Eine Drohne tötet die Nummer Zwei von El Kaida. Die Einsätze häufen sich

Jay Carney wurde für seine Verhältnisse ungewohnt deutlich. Der Drohnen-Angriff, dem am Montag im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet El Kaidas Nr. 2 zum Opfer fiel, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, „untergräbt die Moral und den Zusammenhalt des Netzwerks und bringt es dem Untergang so nah wie zuvor“.

Abu Jahja al-Libi, genannt „der Libyer“, ein Endvierziger, der Amerika 2005 durch seine Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Bagram/Afghanistan in Verlegenheit gebracht hatte, galt nach der Exekution von Osama Bin Laden vor einem Jahr in Washingtoner Geheimdienstkreisen nicht nur als „charismatische Figur, erfahrener Kommandeur und Religionsführer“. Seth Jones, Terrorismus-Experte bei der Rand Corporation: „Libi war ein wichtiges Bindeglied zu den El Kaida-Filialen auf der arabischen Halbinsel. Auch wenn niemand unersetzbar ist – sein Tod wird die Netzwerke dort beeinträchtigen.“

Pakistan protestiert gegen Aktion

Über die genauen Umstände der Hinrichtung mit Hilfe eines unbemannten Flugkörpers ist bisher wenig bekannt. Aus amerikanischen Sicherheitskreisen hieß es, Libi, auf den ein Kopfgeld von einer Million Dollar ausgesetzt war, sei bereits Ende Mai bei einem Drohnen-Angriff verwundet und danach zur Behandlung in einen anderen Ort in der pakistanischen Provinz Nord-Waziristan gebracht worden. Bei dem zweiten Versuch, ihn zu töten, seien mehrere Gefolgsleute ebenfalls ums Leben gekommen.

Wie schon bei vorherigen Drohnen-Einsätzen der USA protestierte die Regierung in Islamabad scharf. Sie sieht in den Angriffen einen Verstoß gegen die Souveränität Pakistans und internationales Recht. Nach Recherchen des US-Internetportals „Long War Journal“ hat die Obama-Regierung in diesem Jahr bereit über 40 Drohnen-Einsätze in Pakistan, Somalia und dem Jemen angeordnet. Wie die „New York Times“ berichtete, wird jedes Todeskommando persönlich vom Präsidenten autorisiert. Dem Auswahlprozess gehe ein Verfahren voraus, bei dem 100 Fachleute aus dem Verteidigungsministerium, dem Geheim-Dienst CIA und anderen Anti-Terror-Behörden jeweils dienstags („Terror Tuesday“) per Video-Konferenz über mögliche Zielpersonen beraten. Anhand von Fotos, Lebensläufen und Lagebeurteilungen soll sich Obama über das Bedrohungspotenzial jedes einzelnen Todeskandidaten unterrichten lassen, bevor er den Daumen senkt.

Kritiker bezeichnen die Drohnen-Strategie, die Obama im Februar erstmals öffentlich eingestand, als „ungesetzlich“ und „verabscheuungswürdig“. Die Langzeitwirkung dieser Strategie werde den Hass auf Amerika weiter wachsen lassen, befürchten Bürgerrechts-Organisationen wie ACLU. Dort wird bemängelt, dass bei den Drohnen-Einsätzen Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung nach Logik der Dinge nicht auszuschließen seien, dass Gelegenheits-Dschihadisten und erwiesene Hardcore-Terroristen über einen Kamm geschoren und die Souveränitätsrechte anderer Länder auf post-koloniale Weise missachtet würden.

Vorbild für Russland und China?

Innerhalb der US-Regierung ist die Drohnen-Strategie Obamas nicht unumstritten. „Sie spart Geld, vermeidet tote US-Soldaten, zahlt sich innenpolitisch aus und erweckt den Eindruck von Stärke“, zitiert die „New York Times“ den früheren Geheimdienst-Koordinator Dennis Blair, „welchen Schaden sie den nationalen Interessen Amerikas zufügt, wird sich erst auf Sicht zeigen.“ Schon heute beobachteten Russland und China den Präzedenz-Fall, dass die Supermacht USA regelmäßig Drohnen in fremde Länder schicken, um unliebsame Gegner zu töten, mit großer Aufmerksamkeit. Nachahmungseffekte seien mittelfristig nicht auszuschließen.