Waschington. . Die Investmentfirma von Multimilliardär Warren Buffett mischt erneut den amerikanischen Zeitungsmarkt auf: Berkshire Hathaway kauft für 142 Millionen Dollar (rund 112 Millionen Euro) 63 Zeitungen der Gruppe Media General. Vom rasanten Zeitungssterben in den USA wollte Buffett nichts wissen. „In Städten mit einem starken Gemeinschaftssinn gibt es keine wichtigere Institution als das Lokalblatt“, erklärte er.
Schlechte Nachrichten über sich selbst liefert die amerikanische Zeitungsbranche seit langem im Eilmeldungstempo. Neben der Abwanderung vieler Nachrichten-Konsumenten ins Internet verstärkte vor allem die Finanz- und Häuserkrise die Spirale aus dramatisch sinkenden Anzeigenerlösen und fallenden Auflagenzahlen. Seit wenigen Tagen geht ein unerwartetes Rascheln durch den Blätterwald. Warren Buffett hat sich für 142 Millionen Dollar 63 Tages- und Wochenzeitungen im Südosten der USA gekauft. Nicht aus Barmherzigkeit. Der Milliardär glaubt an die Zukunft von lokalem Journalismus auf Papier.
Das Buch, das Jeff Matthews über die Geldvermehrungsstrategien des drittreichsten Mannes auf der Erde geschrieben hat, war noch nie so gegendarstellungsreif wie heute. „Er mag keine Zeitungen im Allgemeinen“, attestiert der Autor darin dem 81-jährigen Buffett. Glatte Falschmeldung. Ende vergangenen Jahres hat der Unternehmer aus Nebraska, der über ein Privatvermögen von 44 Milliarden Dollar verfügt, für 200 Millionen Dollar seine Heimatzeitung gekauft. Und das war nur der Auftakt. Der Investition gingen fast 70 Jahre Bedenkzeit voraus. Als Teenager verdiente sich Buffett sein erstes Geld als Zeitungsausträger des „Omaha World Herald”.
Experten rätseln über die Gründe
Weil der Investor Buffett philantropischen Aktivitäten im Geschäftlichen unverdächtig und die Print-Branche insgesamt im gefährlichen Sinkflug ist, zermarterten sich die Experten trotzdem den Kopf: Warum geht einer der erfolgreichsten Anleger weltweit plötzlich in so genanntes „totes Holz“? Hatte der größte Einzelaktionär des Hauptstadt-Blattes „Washington Post” nicht erst vor zwei Jahren gepoltert, für „keinen Preis“ würde er Tageszeitungen kaufen?
Buffetts Begründung lautete damals: „Zeitungsleser sind auf dem Weg zum Friedhof, die Nicht-Zeitungsleser verlassen gerade das College.“ Den Satz würde er heute so nicht mehr stehen lassen. „In meiner Zeitung lese ich Sachen, die ich wissen will, aber sonst nirgendwo finde”, sang Buffett im Fall „Omaha World Herald” zum ersten Mal das zarte Lied auf den Lokal-Journalismus.
63 kleine und ganz kleine Zeitungen
Und nun das: Sein mit Versicherern, Eisenbahngesellschaften und Textilherstellern gespicktes Imperium Berkshire Hathaway hat sich auf einen Schlag in den Bundesstaaten Virginia, North und South Carolina sowie Alabama 63 kleinere und ganz kleine Tages- und Wochenzeitungen und Anzeigenblätter zugelegt Kaufpreis: 142 Millionen Dollar. Weitere Akquisitionen wahrscheinlich. Personalabbau nicht geplant. Warum?
„In Städten, wo ein starkes Gemeinschaftsgefühl herrscht, gibt es keine wichtigere Institution als die Lokalzeitung”, sagt Buffett. Und: „Es gibt immer noch eine Menge Dinge, die Zeitungen besser können als andere Medien.“ Buffett denkt an die durch intime Kenntnis der Verhältnisse beglaubigte Nahperspektive, den Mikrokosmos vor Ort, den keine Nachrichten-Agentur, geschweige denn eines der großen Blätter wie die „New York Times” bedienen kann.
„Da ist Geld zu verdienen“
Und das lohnt sich? Jack Shafer, der bekannte Kolumnist, sagt: „Warren kauft, wenn er Werte sieht, die andere nicht erkennen.“ Worin diese Werte bei liebevoll gemachten Blättern wie „Clinch Valley News”, „Hickory Daily Record”, „Goochland Gazette”, „Culpeper Star-Exponent” oder „The News Virginian of Waynesboro” bestehen könnten, weiß man am Lehrstuhl für Journalismus der Columbia-Universität in New York: „Wo sich der Häusermarkt erholt, erholt sich auch die Zeitung. Da ist Geld zu verdienen.”
Was Buffetts Lebenszweck gelegen kommt. Zumal der Investor mit der Übernahme der Zeitungen Zutritt zu einem Konzern erhält, der nebenbei mit Radio Millionen macht. Jack Shafer, der liebenswürdige Sarkast, rät allerdings zu Realismus. Buffetts Zeitungskäufe seien kein Beleg dafür, dass die Branche insgesamt wieder gesund sei. „Aber wenn er beginnt zu verkaufen, wissen wir, dass sie tot ist.“