Dortmund. . Krankenkassen lehnen Bahrs Forderung nach einer Prämienauszahlung ab
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will finanziell gut gestellte Krankenkassen notfalls per Gesetz dazu zwingen, Prämien an ihre Versicherten auszuschütten. Zumindest aber sollten die Leistungen für die Kunden verbessert werden. Die Kassen weisen den Vorstoß empört zurück.
Bisher zahlen nur einige wenige gesetzliche Kassen Prämien an ihre Kunden. Nur knapp eine Million Mitglieder der insgesamt etwa 70 Millionen gesetzlich Versicherten profitieren davon. „Es könnten aber mehr Kassen auszahlen und Millionen Beitragszahler profitieren“, sagte Bahr. In der Koalition werde über eine gesetzliche Regelung beraten. Nach Bahrs Vorstellungen sollen die Versicherten spätestens 2013 mit Rückzahlungen rechnen können. Vor einigen Wochen hatte er erklärt, dass „bestimmt über 30 Kassen“ finanziell so gut aufgestellt seien, dass sie Prämien ausschütten könnten.
Polster für schlechtere Zeiten
Die Krankenkassen winken ab: Jede einzelne Kasse entscheide eigenverantwortlich darüber, ob sie einen Zusatzbeitrag nehme oder eine Prämie ausschütte, erklärte gestern Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dieses Prinzip habe sich bewährt. Wegen der steigenden Ausgaben für Arzthonorare, Kliniken und Medikamente sei es zudem verständlich, „wenn Krankenkassen ihre Überschüsse aus der Vergangenheit für die künftige medizinische Versorgung ihrer Versicherten verwenden wollen“.
Auch die AOK-Nordwest sieht keinen finanziellen Spielraum, eine Prämie an ihre Mitglieder auszuzahlen. Laut Prognose würden die Leistungsausgaben 2012 um 4,7 Prozent steigen, während die beitragspflichtigen Einnahmen lediglich um 2,2 Prozent steigen. „Deshalb bleiben derzeit keine finanziellen Spielräume, um in diesem Jahr Prämien an die Mitglieder auszuzahlen. Wir setzen im Interesse unserer Versicherten und Beitragszahler auf nachhaltige Stabilität und eine vorausschauende Finanzpolitik statt nach aktueller Kassenlage Prämienjojo zu spielen“, so der Vorstandsvorsitzende Martin Litsch zur WR.
Die gesetzliche Krankenversicherung verfügte Ende 2011 wegen der guten wirtschaftlichen Lage über Rücklagen von knapp zehn Milliarden Euro. Per Gesetz werden die Kassen dazu angehalten, als Rücklage nicht mehr als 1,5 Monatsausgaben vorzuhalten. Weil einige Kassen die vorgeschriebene Maximalreserve deutlich überschritten haben, hatte auch das Bundesversicherungsamt (BVA) von den Kassen Auskunft über die Verwendung der Gelder verlangt.
Die deutsche Ärzteschaft hat die Bundesregierung unterdessen zur Abschaffung der Praxisgebühr aufgefordert. Stattdessen solle ein Teil der Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung bei den Krankenkassen belassen werden, sagte der Vorsitzende der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery. Die stabile Finanzlage der Kassen sei derzeit vor allem auf die gute Konjunktur und die niedrige Arbeitslosigkeit zurückzuführen. „Wenn sich die wirtschaftliche Situation ändert, ist es gut, einen Puffer zu haben“, sagte Montgomery.