Berlin. . Kaum hat Thilo Sarrazin die Bühne wieder betreten, rollt auch schon wieder eine Empörungswelle auf ihn zu. Diesmal erhitzt er mit Thesen zum Euro die Gemüter. Grünen-Chef Trittin wirft dem Ex-Bundesbank-Vorstand „D-Mark-Chauvinismus“ vor. Aus der SPD kommen Aufforderungen zum Parteiaustritt.

Nun rollt die Empörungswelle über Thilo Sarrazins Euro-Thesen: Die gezielten Provokationen des früheren Bundesbankvorstands in seinem neuen Buch riefen am Montag Kritiker von SPD und Grünen auf den Plan. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hält die Thesen des Autors für „erbärmlich“ und wirft ihm „D-Mark-Chauvinismus“ vor. „Sarrazin rutscht immer weiter nach rechts ins Abseits. Es ist erbärmlich, dass er den Holocaust heranzieht, um seinen Thesen zu Eurobonds größtmögliche Aufmerksamkeit zu sichern“, sagte Trittin der Tageszeitung „Die Welt“.

Anlass für Trittins Kritik ist ein Vorabdruck aus Sarrazins neuem Buch „Europa braucht den Euro nicht“, wonach deutsche Befürworter von Euro-Bonds bei SPD, Grünen und Linken getrieben seien „von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben“.

Sarrazins Kritik am Euro „nationalistisch und reaktionär“

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider warf Sarrazin Unwissenheit vor. „Herr Sarrazin versucht es mal wieder mit den üblichen Provokationen. Seine Kritik am Euro ist nationalistisch und reaktionär“, sagte Schneider der „Passauer Neuen Presse“.

Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner forderte Sarrazin zum Parteiaustritt auf. „Sein einzig wertvolles Buch ist das Parteibuch. Er täte sich und der SPD einen großen Gefallen, wenn er dieses zurückgibt“, sagte Stegner zu „Handelsblatt Online“.

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: „Wäre ich Sozialdemokrat, würde ich diesen Hetzer nicht in meiner Partei dulden.“ Empört reagierte er darauf, dass Sarrazin in seinem neuen Buch den Holocaust und die europäische Währung in einen Zusammenhang stellt: „Offenbar kann Sarrazin den Juden den Holocaust nicht verzeihen“, sagte Beck dem Online-Portal.

„Keine Vorteile durch den Euro“

Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte den Berliner Ex-SPD-Finanzsenator bereits am Sonntagabend öffentlich in die Schranken gewiesen. In der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ trat Steinbrück entschieden Sarrazins Verknüpfung von Holocaust und Euro-Krise entgegen.

Steinbrück warf Sarrazin „Geschichtsvergessenheit und Geschichtsblindheit“ vor. Vor dem Hintergrund der Katastrophen des 20. Jahrhunderts habe Deutschland eine europapolitische Verantwortung, die EU zu stabilisieren. Sarrazins biete in seinem Buch dagegen lediglich „eine sehr platte ökonomistische Analyse“ und liefere keinerlei „Handlungsempfehlungen“. Er mache den Euro für Fehlentwicklungen verantwortlich, an denen die gemeinsame Währung nur den „geringsten Anteil habe“.

Sarrazin bekräftigte bei Günther Jauch seine Thesen. „Der große Erfolg der europäischen Integration fand bis zum Beginn der gemeinsamen Währung statt“, argumentierte er. „Die reinen Daten und Fakten sagen, dass Deutschland durch den Euro keine messbaren Vorteile hatte“. Für die Südländer habe die Gemeinschaftswährung „wachsende Risiken“ gebracht. Deutschland könne zudem „nicht die Schulden anderer Länder übernehmen wegen der Schuld der Vergangenheit“.

Sarrazin hatte bereits mit seinem 2010 erschienenen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ für heftige Kontroversen gesorgt. Darin hatte er umstrittene Thesen zur Migration aufgestellt und behauptet, alle Juden teilten ein Gen. (dapd)

Sarrazins Sprüche

Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate.
Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate. © ddp
Februar 2002 über Berliner Beamte:
Februar 2002 über Berliner Beamte: "Die Beamten laufen bleich und übelriechend herum, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist." © ddp
November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren:
November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren: "Es wird ja so getan, als ob der Senat die Kinder ins Konzentrationslager schicken wollte." © ddp
März 2002 zum Berliner Stadtbild:
März 2002 zum Berliner Stadtbild: "Nirgendwo schlurfen so viele Menschen in Trainingsanzügen durch die Straßen wie in Berlin."
November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten:
November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten: "Ihr seid alle Arschlöcher." © REUTERS
Januar 2005 zur geplanten Länderfusion:
Januar 2005 zur geplanten Länderfusion: "Das vereinte Land Berlin-Brandenburg ist natürlich immer eine Stadt Berlin mit angeschlossener landwirtschaftlicher Fläche." © ddp
August 2006 zur Berliner Finanzlage:
August 2006 zur Berliner Finanzlage: "Lassen Sie mich mal so sagen: Der Schutt ist abgeräumt. Wir leben nicht mehr im Jahr 1945, sondern wir leben im Jahr 1947." © ddp
Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit:
Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit: "Ehe jetzt einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag nur fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarz arbeitet." © AP
Februar 2008 zu seinem Speiseplan für
Februar 2008 zu seinem Speiseplan für "Hartz IV"-Empfänger: Für 4,25 Euro könne man sich "vollständig, gesund und wertstoffreich ernähren". Auf Kritik konterte er: "Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von "Hartz IV"-Empfängern das Untergewicht." © imago stock&people
Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem:
Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem: "Bayerische Schüler können aber mehr ohne Abschluss als unsere in Berlin mit Abschluss." © AP
Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte:
Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte: "Für fünf Euro würde ich jederzeit arbeiten gehen. Das wären 40 Euro pro Tag." © imago stock&people
September 2009 in der Zeitschrift
September 2009 in der Zeitschrift "Lettre International": "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." © ddp
Ebenfalls dort:
Ebenfalls dort: "Je niedriger die Schicht, desto höher die Geburtenrate. Die Araber und die Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht." © ddp
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Weiter: "Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig. Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun." © REUTERS
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