Paris. . Frankreichs Präsident Sarkozy droht der Absturz. In Umfragen liegt der Sozialist Hollande vorn. Kann der Amtsinhaber den Trend noch drehen?

Nicolas Sarkozy und François Hollande kennen sich seit über zwanzig Jahren. Sie duzen sich sogar. Freunde sind der Gaullist und der Sozialist jedoch nie geworden. Ganz im Gegenteil. Wenige Tage vor der Stichwahl am 6. Mai erreicht die Rivalität ihren Höhepunkt. Zwei ehrgeizige Politiker, beide 57, ringen verbissen um die Macht. „Ich bin bereit“, sagt der Herausforderer, während der Amtsinhaber seinerseits tönt: „Ich werde ihn explodieren lassen.“

Eigentlich hätten sich ihre Wege schon Ende der 60er-Jahre im Pariser Reichen-Vorort Neuilly kreuzen können. Doch während der Arztsohn François Hollande Eliteschulen besucht und im sozialistischen Polit-Establishment aufsteigt, haftet Nicolas Sarkozy das Image des Emporkömmlings an. Aber der Sohn ungarischer Immigranten boxt sich durch, wird Anwalt und mit 28 schon Bürgermeister von Neuilly, 1993 Minister und 2007 Präsident.

Nerviges Bling-Bling-Gehabe

Derselbe, der den Franzosen nach Jahren des Stillstands den Bruch mit der Ära Chirac verspricht, hat seinen guten Ruf aber schon wenige Monate nach dem Triumph vom Mai 2007 so gut wie verspielt. Dass er nicht mit dem jubelnden Parteivolk feierte, sondern im Nobel-Restaurant „Fouquet’s“, wird ihm noch heute angekreidet. Ebenso das Bling-Bling-Gehabe, die Rolex, die Zurschaustellung seines Privatlebens.

„Die Franzosen sehnen sich nach dem perfekten Schwiegersohn“, sagt der Pariser Soziologe Hans Herth. Gern breitschultrig wie General de Gaulle und Jacques Chirac oder hoch aufgeschossen wie Giscard oder Dominique de Villepin. Ideale Schwiegersöhne sind meistens nicht nur rechtschaffen, sondern oft auch langweilig. So wie Hollande?

Dieser zieht 1981 als Wirtschaftsberater von François Mitterrand in den Élysée-Palast ein, wird aber nie als Minister berufen. Dafür steht er ab 1997 elf Jahre lang als Generalsekretär an der Spitze der Sozialisten. Man schätzt seinen Humor und seine geschliffenen Reden. Doch nachhaltig in Erinnerung bleibt der Kompromiss-Politiker als „Flanby“, so heißt in Frankreich ein beliebter Karamellpudding.

Nach dem Wahldebakel von 2007, der Trennung von Ségolène Royal und dem Chaos-Parteitag von Reims 2008 taucht der Ex-Parteichef ab. Doch heimlich trimmt er sich fit fürs Wettrennen um die Macht. Speckt 15 Kilo ab, trägt das schüttere Haar nun dunkler und legt sich eine moderne Brille zu.

Doch weder in der eigenen Partei noch im Élysée nehmen sie seine Ambitionen ernst. Führende Linke verhöhnen ihn als „Tretbootkapitän“. Dann siegt er bei den parteiinternen Vorwahlen und seine Umfragewerte schießen in die Höhe. Der bodenständige Hollande zeigt Stehvermögen, gewinnt die erste Runde und schafft ein Novum in der Geschichte der V. Republik. Zum ersten Mal hechelte ein amtierender Präsident vor der Stichwahl seinem Kontrahenten hinterher.

Je näher der Wahltermin rückt, desto staatsmännischer tritt der Sozialist Francois Hollande jetzt in der Öffentlichkeit auf. Er gibt sich als „président normal“, der die Franzosen zusammenführt, der Jugend Hoffnung gibt und eine gerechtere Gesellschaft anstrebt. „Anti-Held“ nennt ihn die linksliberale Zeitung „Le Monde“ anerkennend.

Zappeln und Zuckeln

Vom einst gefeierten „Hyper-Präsidenten“ Sarkozy scheint die Mehrheit der Franzosen die Nase voll zu haben. Seinem flatterigen Charakter können sie nicht mehr viel abgewinnen. Dieses ständige Zappeln und Zucken, diese Arroganz und Aggressivität – non merci. Hinzu kommt seine dürftige wirtschaftspolitische Bilanz.

Um von diesem Makel abzulenken, wollte der Präsident im TV-Duell am Mittwochabend die Flucht nach vorn ergreifen und Ängste schüren: Angst vor zu viel Einwanderung und Halal-Fleisch an Schulen, Angst vor den Sozialisten, die Frankreich noch mehr verschulden und in ein zweites Griechenland zu verwandeln drohen. Es war Sarkozys letzte Chance. Er weiß, dass er schlagfertiger ist als der wenig charismatische Hollande. Doch dieser führt in Umfragen immer noch deutlich mit sechs bis sieben Prozentpunkten Vorsprung.