Luxemburg/Berlin. . Um Mitternacht läuft die Frist ab. Es sieht nicht so aus, als ob sich die Bundesregierung bis dahin auf ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einigen wird. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bleibt hart. Deutschland dürfte das Millionen Kosten.

Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung droht Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die EU-Kommission werde das Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, wenn Berlin die EU-Richtlinie nicht in nationales Recht umsetze, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag in Luxemburg. Die EU-Kommission hatte Berlin eine Frist bis Donnerstag gesetzt, um die Umsetzung auf den Weg zu bringen.

Malmström zeigte kein Verständnis dafür, dass die Umsetzung immer noch stocke. Deutschland habe „viele Jahre“ Zeit gehabt, sagte sie. „Wenn sie nicht nachgeben, wird das Verfahren fortgesetzt.“ Dies liefe auf eine Klage vor dem EU-Gericht hinaus, das Deutschland zu einer Strafzahlung in Millionenhöhe verurteilen könnte.

Die schwarz-gelbe Koalition konnte vor Ablauf der Frist um Mitternacht in der Nacht zu Freitag keine Einigung in der Frage erzielen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte Verständnis für die Ungeduld der EU-Kommission. „Die Kommission erhöht den Druck, das ist glaube ich normal, das ist auch verständlich“, sagte er in Luxemburg.

Streit in der Koalition

In der Union verschärfte sich die Kritik an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Friedrich forderte Kompromissbereitschaft von der Ministerin, deren Gesetzentwurf zur Datenspeicherung er ablehnt. „Sie hat etwas vorgelegt, was die Richtlinie nicht umsetzt“, sagte er. „Und deswegen müssen wir weiter verhandeln.“ Es bestehe eine juristische Verpflichtung, die EU-Richtlinie umzusetzen.

Friedrich und die Unionsspitze dringen gemäß den EU-Regeln auf eine sechsmonatige generelle Speicherung von Telekommunikationsdaten. Leutheusser-Schnarrenberger und die FDP lehnen eine solche anlasslose Speicherung ab und schlagen als Alternative das kurzfristige Einfrieren von Daten im Verdachtsfall vor.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl regte an, bei der Neuregelung die zuständige Justizministerin zu umgehen. Die Datenspeicherung werde kommen - „die Frage ist nur, ob mit oder ohne Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger“, sagte er der „Welt“. Sollte es zu einer Klage vor dem EU-Gericht kommen, müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „ein Machtwort sprechen“.

„Ausverkauf dre Bürgerrechte“

Das Verstreichen der Frist aus Brüssel sei „kein guter Tag für den Rechtsstaat“, sagte der Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU). „Wir erwarten von unseren Bürgern Rechtstreue, nicht weniger erwarten wir von unserer Bundesjustizministerin.“ Krings schlug einen Kompromiss vor: Die EU-Vorgaben sollten befristet auf drei Jahre umgesetzt werden. In dieser Zeit solle Deutschland in Brüssel auf eine „noch datenschutzfreundlichere Richtlinie“ hinarbeiten.

Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz warnte davor, das Verstreichen der EU-Frist zu dramatisieren. „Es gibt ja nicht morgen sofort eine Strafe“, sagte sie im Sender Phoenix. Es gehe hier um „Grund- und Bürgerrechte und ein wirklich tiefgreifendes Problem“.

Die SPD kritisierte, dass die Uneinigkeit in der Koalition zu einem Strafgeld führen könnte. Es sei „unverantwortlich“, dass die Koalition den Streit „auf dem Rücken der Steuerzahler“ austrage, sagte Fraktionsvize Christine Lambrecht. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte Merkel auf, ein „Machtwort“ zu sprechen und sich gegen den „Ausverkauf der Bürgerrechte“ einzusetzen. (afp)