Düsseldorf. Die Sozialdemokraten wollen gegen die umstrittene Leistung mobil machen und so auf Stimmenfang in NRW und Schleswig-Holstein gehen. Tenor: Statt zwei Milliarden Euro ins Betreuungsgeld zu stecken, soll das Geld besser in den Ausbau des Kita-Angebots fließen.
In der heißen Phase der Landtagswahlkämpfe in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen setzt die SPD auf eine Kampagne gegen das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld. Dieses zeuge von einem "Uraltbild von Familie und Erziehung", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag nach einer Sitzung der SPD-Parteigremien in Kiel.
Die Partei hat Postkarten mit dem Slogan "Für Kitas statt Betreuungsgeld" aufgelegt. Zudem behält sich die SPD juristische Schritte gegen die geplante Leistung vor, die Eltern bekommen sollen, die ihre Kinder zuhause erziehen. Fraglich sei, ob der Bund "eigentlich das Recht hat, sich in die Finanzbeziehungen der Kommunen einzumischen", sagte Gabriel. Hier werde ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Ausbau der Kindertagesstätten und dem Betreuungsgeld.
"Dort wo eine Kommune keinen Kindertagesstätten-Platz zur Verfügung stellen muss, kommt der Bund und macht eine Ersatz-Finanzierung", sagte Gabriel. Dies werfe laut einem Gutachten des Bundesjustizministeriums verfassungsrechtliche Bedenken auf. "Wir finden, dass man die jetzt im Zweifel mal klären muss".
Zwei Milliarden Euro fürs Betreuungsgeld = 166.000 neue Kita-Plätze
Sollten die beiden anstehenden Wahlen entsprechende Ergebnisse liefern, werde das Thema von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "in gewohnter Weise abserviert", sagte Gabriel. Der Vorschlag von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, die Rentenleistungen für Eltern zu erhöhen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, solle nur einen "faulen Kompromiss für eine völlig unsinnige Maßnahme" ermöglichen.
Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig ist das Betreuungsgeld nichts anderes als das "Fernhalten von Betreuung". Ein neuer Kita-Platz koste die Kommunen 12.000 Euro. Hinter den zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld steckten "166.000 Kita-Plätze in Deutschland, davon 25.000 in Nordrhein-Westfalen, 6.000 in Schleswig-Holstein".
Der Ausbau der Kitas sei eine "Herkulesaufgabe", sagte Albig, der derzeit Kieler Oberbürgermeister ist. In seiner Stadt werde kommendes Jahr eine Quote an verfügbaren Kita-Plätzen pro Jahrgang von 40 Prozent erreicht, gebraucht würden aber voraussichtlich 65 Prozent. "Es ist das erste Mal in Deutschland, dass wir einen Rechtsanspruch haben, der Gefahr läuft, nicht erfüllt zu werden."
"Wir wissen, wo schlechte Haushalte anfangen", sagte Albig weiter. Abiturquoten hingen davon ab, ob die Schüler in einem Kindergarten gewesen seien. "Dort beginnt der gute Haushalt und dort wird die Voraussetzung geschaffen, eine Schuldenbremse auch nachhaltig erfüllen zu können."
Hinweist auf hohe "Reparaturkosten"
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin und SPD-Vize Hannelore Kraft bezifferte die "Reparaturkosten" für unzureichende Bildungssysteme alleine für ihr Bundesland auf über 23 Milliarden Euro pro Jahr. "Das sind Kosten, die anfallen, weil wir nicht gut genug bei Bildung sind, nicht gut genug bei Betreuung sind und nicht gut genug dabei sind, frühe Hilfen für Eltern aufzubauen", sagte sie.
Notwendig seien deshalb Strukturveränderungen. Ein Betreuungsgeld konterkariere diese Bemühungen immens, sagte Kraft. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zahlten pro Jahr alleine 1,2 Milliarden Euro aus, "um Kinder aus Familien herauszuholen, weil es wirklich nicht mehr geht".
Viel zu viele Kindern machten heute keinen Schulabschluss oder bekämen keinen Ausbildungsplatz, sagte Kraft. "Wir finanzieren immens viel Geld in sogenannte Warteschleifen-Systeme", sagte Kraft. Alleine in NRW würden 2020 bereits 630.000 Fachkräfte fehlen. "Wir werden das nicht allein durch Zuwanderung lösen können", warnte Kraft. (dpad)