Berlin. . Unionsfraktionschef Volker Kauder hat mit seinen Äußerungen zum Islam einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Grünen-Chefin Claudia Roth nannte Kauders Worte beschämend. Der CDU-Mann hatte mit den Worten provoziert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.
Unionsfraktionschef Volker Kauder hat mit Äußerungen zum Islam lautstarken Protest auf sich gezogen. Der CDU-Politiker hatte gesagt: „Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland.“ Die Türkische Gemeinde nannte die Äußerung „Schwachsinn“, die Opposition bezeichnete Kauder als „letzten Kreuzritter der Union“ - Kritik kam auch aus den eigenen Reihen.
Kauder äußerte sich kurz vor der Sitzung der Deutschen Islamkonferenz, einem Gesprächsforum zwischen dem Staat und den in Deutschland lebenden Muslimen. Der CDU-Politiker widersprach mit seiner Äußerung in der „Passauer Neuen Presse“ dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der den Islam als Teil Deutschlands bezeichnet hatte. Kauder betonte gleichwohl: „Muslime gehören aber sehr wohl zu Deutschland. Sie genießen selbstverständlich als Staatsbürger die vollen Rechte, ganz klar“.
Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte Kauder für seine Äußerung massiv. „Volker Kauders Ausfälle gegenüber Muslimen in Deutschland sind beschämend und kaum zu ertragen“, sagte Roth der WAZ-Gruppe. „Nach den Erfahrungen, die Muslime mit dem deutschen Staat im Zuge der Ermittlungen der NSU-Morde machen mussten, sendet Kauder ihnen nun endgültig ein Signal der Ausgrenzung“, sagte Roth weiter. Mit seinen Einlassungen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, „nimmt Herr Kauder Millionen hier lebenden Menschen jetzt auch noch ihre Heimat weg und bürgert sie praktisch aus.“
Islamrat: „Keine Einladung zur Integration“
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte über Kauders Äußerung: „Jeder darf Schwachsinn erzählen in diesem Land. In der Demokratie ist das möglich.“ Kauder müsse wohl noch vieles nachlesen, was die Bundespräsidenten Wulff und Joachim Gauck zum Islam in Deutschland gesagt hätten.
Der Islamrats-Vorsitzende Ali Kizilkaya nannte die Äußerungen „sehr bedauerlich“. „Wer den Islam nicht als Teil Deutschlands sieht, der grenzt ihn aus“, sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Die Haltung von Kauder sei „keine Einladung zur Integration“.
Widerspruch auch aus dem eigenen Lager
Widerspruch kam auch von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). „Wir sind in dieser Frage mittlerweile schon viel weiter“, sagte Böhmer der „Rhein-Zeitung“. Sie fügte hinzu: „Wenn wir noch in 20 Jahren darüber reden, ob der Islam zu Deutschland gehört, dann hat das doch mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun.“ In Deutschland lebten vier Millionen Muslime.
Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, sieht den Islam als einen Teil Deutschlands an. Natürlich sei er „kein Teil unserer Geschichte und Tradition“. Im Unterschied zu dem Unionsfraktionschef fügte Bouffier jedoch hinzu: „Aber er gehört zu uns und unserer Zukunft.“ Der Islam sei „ein Stück Realität“, das dürfe man weder ignorieren noch überhöhen, sagte der CDU-Politiker während seines Türkei-Besuchs.
Opposition wirft Kauder „Kulturkampf“ vor
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann bezeichnete Kauder als „letzten Kreuzritter der Union“. Der CDU-Politiker sorge damit für eine „Abwertung und Ausgrenzung aller Muslime in Deutschland“ und lege überdies einen Sprengsatz in die Islamkonferenz.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete es als „absurd“, zu behaupten, Muslime gehörten zu Deutschland, der Islam aber nicht. „Volker Kauder macht einen auf Kulturkampf, um dem gebeutelten konservativen Teil der Union zu signalisieren: Wir haben euch nicht vergessen.“ Er fügte hinzu: „Vermutlich denkt Herr Kauder auch, die Frauenbewegung gehöre nicht zu Deutschland, Frauen aber schon.“
Rückendeckung aus Bayern
Der bayerische Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) verteidigte Kauder dagegen. An Kauders Äußerung sei jedes Wort richtig, sagte Kreuzer. Zur Kritik aus der Türkischen Gemeinde sagte er: „Die entgleisenden Äußerungen Kenan Kolats sind erkennbarer Ausdruck der Distanz des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland zur christlich-abendländisch geprägten Werteordnung in der Bundesrepublik.“
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hielt sich zurück mit Kommentaren zu Kauders Äußerungen. Auf Nachfrage sagte er, die Islamkonferenz wolle sich nicht mit tagesaktuellen Themen befassen, sondern auf das Wesentliche konzentrieren. Im März 2011 hatte der CSU-Politiker nach seinem Amtsantritt und kurz vor dem Treffen der Islamkonferenz erklärt, der Islam gehöre historisch nicht zu Deutschland. (dapd/daf)