Düsseldorf. . Sven Lehmann, Landeschef der Grünen, hält es für ausgemachten Unsinn, die Betreuungsleistung zu Hause mit 150 Euro zu prämieren. Er warnt vor Klagen und fehlenden Finanzmitteln.

Die NRW-Grünen machen mobil gegen das geplante Betreuungsgeld der Bundesregierung. Landeschef Sven Lehmann warnt im Gespräch mit Redakteur Tobias Blasius vor einer Klagewelle und fehlenden Mitteln für den Kita-Ausbau.

Herr Lehmann, was haben die Grünen dagegen, dass der Staat die Erziehungsarbeit von Eltern mit einem Betreuungsgeld honoriert?

Lehmann: Das Betreuungsgeld geht gesellschaftspolitisch in die völlig falsche Richtung. Wer Prämien dafür zahlt, dass Kinder nicht in die Kita gehen, hält Frauen von der Erwerbstätigkeit ab und zementiert alte Rollenklischees.

Wer ohnehin keinen Kita-Platz findet, freut sich womöglich darüber, dass der Staat die Betreuungsleistung zu Hause mit monatlich bis zu 150 Euro anerkennen will.

Die fehlenden Kita-Plätze sind ja gerade das Problem. Das Betreuungsgeld kostet bundesweit pro Jahr bis zu zwei Milliarden Euro. Das Geld könnte viel sinnvoller in Ausbau und Qualität der Kitas investiert werden. Dort würde es berufstätigen Paaren und Alleinerziehenden wirklich helfen. Allein für NRW stünden so mindestens 250 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für den Kita-Ausbau zu Verfügung.

Was fordern Sie konkret?

Die Bundesregierung sollte schleunigst das unsinnige Betreuungsgeld beerdigen, das außer einigen CSU-Politikern ohnehin niemand will. Stattdessen muss der Bund seinen finanziellen Beitrag zu den notwendigen Kita-Ausbauprogrammen erhöhen.

Ist das Betreuungsgeld verfassungsfest?

Die verfassungsrechtliche Basis des Betreuungsgeldes ist so zweifelhaft, dass eine Klagewelle drohen könnte. Wir Grüne verfolgen sehr aufmerksam, dass immer mehr Verfassungsjuristen den Gleichheitsgrundsatz verletzt sehen. Der Staat kann Familien mit Kindern nicht je nach Lebenssituation finanziell derart unterschiedlich behandeln.

Ähnliche Bedenken werden auch in den Reihen der FDP geäußert.

Leider ist das bisher nur Gerede. Ich fordere die FDP auf, den Worten Taten folgen zu lassen. Ihr Spitzenkandidat Christian Lindner kann nicht im Bundestag die Hand für das Betreuungsgeld heben und zugleich im NRW-Wahlkampf die Unterversorgung mit U3-Betreuungsplätzen beklagen. Das ist unehrlich.