Berlin.. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert von der Euro-Zone, ihren finanziellen Schutzwall gegen die Schuldenkrise deutlich auf rund eine Billion Euro zu erhöhen. „Die Mutter aller Brandmauern sollte in Stellung gebracht werden“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría am Dienstag in Brüssel. Wir beantworten, wie und ob das funktioniert.
Der Euro-Schutzschirm wird auf 700 Milliarden erhöht. Die SPD hatte es vorausgesagt und Teile von FDP und Union es befürchtet. Nun schafft Kanzlerin Angela Merkel schnell Fakten. Ein Überblick über die Debatte.
Worum geht es?
Faktisch um den Fiskalpakt und den Euro-Krisenfonds, politisch um Merkels Glaubwürdigkeit und einen Konsens im Bundestag.
Bricht Bundeskanzlerin Merkel ihr Wort?
Die Obergrenze für den Euro-Rettungsmechanismus ESM liegt bei 500 Milliarden Euro und die deutsche Haftungsobergrenze bei 211 Milliarden. Die CSU sprach von einer „roten Linie“. Mit einem Trick wird die Summe erhöht. Bis zum Sommer 2013 läuft parallel der EFSF-Schutzschirm weiter. Da sind noch 240 Milliarden Euro im Topf. Die sollten auf ESM angerechnet werden. Doch sie werden dazu addiert. So macht Europa über 700 Milliarden locker.
Wie begründet Merkel das?
Die Experten sprechen von einer Brandmauer, einer „Firewall“, für die zwei Billionen US-Dollar nötig seien. Es ist eine hinreichend hohe Summe, um Spekulanten abzuschrecken. Die zwei Billionen, die jetzt auch die OECD fordert, bringen je zur Hälfte die Europäer und der Internationale Währungsfonds auf. Eine Billion Dollar entspricht rund 700 Milliarden Euro.
Warum so umständlich?
Der Plan, ESM mit EFSF zu kombinieren, hat politisch einen Zweck: Merkel soll halbwegs ihr Gesicht wahren. Sie kann darauf beharren, dass ESM bei einem Volumen von 500 Milliarden Euro bleibt. Zudem weist sie darauf hin, dass der ESM-Fonds erst aufgefüllt werden muss; in der Übergangsphase greift EFSF.
Was sagen die Kritiker?
Über den Plan, EFSF und ESM zu addieren, wird im Bundestag nicht abgestimmt. Die Unions-Fraktion gibt Finanzminister Schäuble ein Verhandlungsmandat, das ist alles. CSU-Chef Horst Seehofer redet sich damit raus, dass nur die Haftungsgrenze steigt. Die Summe übersteige aber nicht den deutschen Anteil von 211 Milliarden Euro. Diese rote Linie werde nicht überschritten. Das sehen Euro-Kritiker anders.
Können sie auch Merkel einen Denkzettel verpassen?
Allenfalls indirekt: Wenn der Bundestag über ESM abstimmt, frühestens Ende Mai. Aber die Mehrheit steht außer Frage, da auch die SPD den ESM begrüßt. Im Parlament ist auch keine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.
Worum geht es beim Fiskalpakt?
Den haben 25 der 27 EU-Regierungschefs Anfang Februar unterzeichnet. Sie verpflichten sich darin zu strenger Haushaltsdisziplin mit einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Defizitsündern drohen Sanktionen.
Weil damit Hoheitsrechte auf die europäische Ebene abgegeben werden, ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. SPD und Grüne knüpfen ihre Zustimmung an Bedingungen.
Was fordern sie?
Sie wollen die verbindliche Zusage der Regierung, sich für eine Finanztransaktionssteuer notfalls allein in der Euro-Zone einzusetzen – wogegen Merkel und Schäuble nichts hätten, was aber bisher am Nein der FDP scheitert. Mit den Einnahmen wollen SPD und Grüne ein Wachstumsprogramm für Euro-Krisenländer finanzieren.
Wie reagiert die Koalition?
Sie hat gestern mit den Fraktionschefs von SPD und Grünen einen Fahrplan für Verhandlungen vereinbart.
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Für ein Wachstumsprogramm für notleidende EU-Staaten wird sich die Kanzlerin einsetzen. Eine Finanztransaktionssteuer, die alle Spekulationsgeschäfte abdecken und EU-weit rund 60 Milliarden Euro bringen würde, hält die Regierung nicht mehr für realisierbar. Schäuble will stattdessen die frühere Börsenumsatzsteuer wieder einführen, sie auf Wertpapiere und Derivate erweitern.