Berlin. Die Innenminister von Bund und Ländern haben den ersten Schritt für ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei eingeleitet. Allerdings ist es bis in die Regierungsspitze hinein höchst umstritten, ob ein solches Verfahren Erfolg haben kann

Die Innenminister von Bund und Ländern haben den ersten Schritt in Richtung NPD-Verbot unternommen. Die Ressortchefs einigten sich am Donnerstag in Berlin einstimmig darauf, die V-Leute in der Spitze der rechtsextremen Partei bis Anfang April abzuschalten. Unterdessen wachsen auf höchster Regierungsebene die Zweifel, ob ein NPD-Verbot juristisch überhaupt durchsetzbar ist.

Sowohl die Kanzlerin als auch der Bundespräsident und der Bundestagspräsident haben Bedenken angemeldet. "Alle sind sich einig, dass ein Scheitern eines Verfahrens eine kaum überbietbare politische Katastrophe wäre", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er fürchte zudem, dass die NPD im laufenden Verfahren als "Märtyrer-Partei" ihre Wahlkämpfe führen werde.

Innenminister schaffen erste Voraussetzung

Der erste Vorstoß, die NPD verbieten zu lassen, war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil in der Spitze der Partei zu viele V-Leute eingesetzt waren, wodurch das Belastungsmaterial in Zweifel gezogen werden konnte. Der Vorsitzende der Innenministerin und Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), betonte: "Mit dem Abzug der V-Leute aus Führungspositionen setzten wir also das um, was damals vom Bundesverfassungsgericht sozusagen ins Stammbuch geschrieben wurde."

Auch jetzt sind Verfassungsrechtler skeptisch, ob ein Verbot in Karlsruhe juristisch Bestand haben kann. Zudem könnte die rechtsextreme Partei vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. Dort gelten nach Einschätzung der Experten noch höhere Hürden für ein Parteienverbot.

Anlass für die neuerliche Verbotsdebatte ist die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Die Terrorgruppe war im November 2011 aufgeflogen. Den Rechtsterroristen werden bundesweit zehn Morde zur Last gelegt. Nach Ansicht von Generalbundesanwalt Harald Range handelt es sich bei der Gruppe jedoch nicht um den militanten Arm der NPD. Ein solcher Zusammenhang würde, so die Auffassung von Fachleuten, ein Verbotsverfahren erheblich erleichtern. Allerdings wurden in der jüngeren Vergangenheit immer mehr persönliche Verbindungen zwischen den Unterstützern und Teilen der Gruppe zu NPD-Mitgliedern bekannt.

Opposition kritisiert Zögern der Regierung

Neben Lammert hatten sich bereits Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck skeptisch über die Erfolgsaussichten eines NPD-Verbots geäußert. Aber auch die beiden Fachminister im Kabinett, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), sowie mehrere Innenexperten aus CDU, CSU und FDP haben Bedenken. Friedrich betonte auch am Donnerstagabend nach der Sitzung der Innenminister noch einmal: "Ein Scheitern dürfen wir uns nicht leisten."

Die zögerliche Haltung der Bundesregierung stößt bei der Opposition auf harsche Kritik. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnte im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd davor, "schon vor einer ernsthaften Prüfung kalte Füße" zu bekommen. Das wäre ein "fatales Signal" für die Gesellschaft, sagte sie.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann hatte zuvor gefordert, man dürfe nicht "kleinmütig und hasenfüßig" vorgehen. Er hoffe, dass ein Verbotsantrag noch "vor der Bundestagswahl gestellt werden kann".

Kontroverse Debatte auch im Untersuchungsausschuss

Die Debatte um ein Parteienverbot erreichte auch den Rechtsterror-Untersuchungsausschuss, der am Donnerstag tagte. Obwohl sich das Gremium mit dem Thema nicht eigens befassen soll, lieferten sich die Obleute der Fraktionen vor Beginn der Sitzung einen offenen Schlagabtausch.

Der Obmann der FDP-Fraktion, Hartfrid Wolff, attackierte die SPD wegen ihrer Forderung nach einem zügigen Vorgehen. "Das ist im höchsten Maße unseriös und unverantwortlich", sagte der FDP-Politiker. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht legten "eine sehr hohe Messlatte" für ein Parteienverbot an, sagte Wolff. Daher sei sehr sorgfältig zu prüfen, ob ein NPD-Verbotsverfahren überhaupt riskiert werden könne.

Der Obmann der Grünen im Ausschuss, Wolfgang Wieland, sah deutlich größere Erfolgschancen für ein Parteiverbot, nachdem sich Bund und Länder für den Abzug der V-Leute aus der Spitze der NPD entschieden hätten. "Jetzt wird ein formales Hindernis geräumt - das ist neu", sagte Wieland.