Berlin. . Der Große Zapfenstreich für Altbundespräsident Christian Wulff war am Donnerstagabend von einem Protestkonzert begleitet. Mehrere Hundert Demonstranten begleiteten die Zeremonie mit Pfiffen und Vuvuzela-Tönen. Die Ära von Christian Wulff im Schloss Bellevue ist nun Geschichte.
Christian Wulff hat bekommen, was er wollte. Der Große Zapfenstreich, das höchste militärische Zeremoniell der Bundeswehr, ist an diesem Abend zu seinen Ehren abgehalten worden. Bereits im Vorfeld hatte es Diskussionen über die Angemessenheit der Veranstaltung gegeben, am Abend war der Unmut vieler Bürger über die Militärfeier unüberhörbar.
Etwa 700 Menschen hatten sich nach Polizeiangaben am Zaun des Schloss Bellevue versammelt. Mit Trillerpfeifen, Vuvuzelas und Trompeten machten sie ihrem Ärger Luft. Ulrich Deppendorf, der die Liveübertragung der ARD moderierte, nahm den Lärm immer wieder zum Anlass, die seltsame Stimmung im Schlosspark zu illustrieren.
Viele Gäste hatten vorab abgesagt
Schon vorab hatten viele geladene Gäste, darunter alle ehemaligen Bundespräsidenten, abgesagt. Der SPD-Vorsitzende Gabriel ließ gar wissen, der Große Zapfenstreich für Wulff sei „eine große Peinlichkeit.“ Viele andere, die an diesem Abend abgesagt hatten, wollten sich nicht zu ihren Gründen äußern. Ohnehin ist das Protokoll einer derart hohen Feierlichkeit im Normalfall geheim, doch dieses Mal zitierte die Bild-Zeitung aus der Einladungsliste Wulffs –nicht untypisch für den Umgang des Blattes mit diesem Bundespräsidenten.
Vier Lieder hat sich Wulff für seinen Abschied gewünscht, auch das hatte für Unmut gesorgt – andere hatten sich mit drei Liedern begnügt. Christian Wulff kann in diesen Tagen kaum etwas richtig machen. Nach einem kurzen Empfang, in dem Wulff noch einmal betonte, was ihm in seiner Amtszeit wichtig gewesen war; ein vielfältiges und buntes Deutschland, in dem auch Migranten ihren Platz finden, schritten die rund 200 Gäste auf den Hof des Bellevue. Bettina Wulff nahm neben Angela Merkel Platz. Auch Wulffs Tochter Anna-Lena war gekommen. Guido Westerwelle, der die Einladung nach Informationen der Bild-Zeitung bis zum Schluss unbeantwortet gelassen hatte, war ebenso erschienen wie ein Großteil des Kabinetts.
Bei „Over the Rainbow“ scheint Wulff bewegt
370 Soldaten standen zu Ehren des zurückgetretenen Bundespräsidenten bereit, als dieser aus dem Schloss kam und auf das Podest schritt. Während das Wachbataillon noch das Gewehr von allen Seiten präsentierte, ging draußen der Protest weiter. Die Demonstranten hatten Schuhe und Transparente mit der Aufschrift „Schäm dich“ dabei. Doch ihr Protest wurde von den vier persönlichen Liedern Wulffs übertönt, der sogenannten Serenade.
Als die Musikanten der Bundeswehr mit ihren Blasinstrumenten „Over the rainbow“ von Harold Arlen spielten, wirkte Wulff bewegt. Auch seiner Frau Bettina schien das Lied nahezugehen. Ansonsten nahm der Geehrte die Zeremonie sehr ruhig und ernst an. Den traditionellen Ablauf des großen Zapfenstreiches haben viele Bürger an diesem Abend wohl zum ersten Mal live gesehen, nur selten findet eine Feierlichkeit so viel Resonanz wie diese.
Eine seltsame Atmosphäre scheint über dem Schloss zu hängen
Der Spielmannzug begann sein traditionelles „Locken“ vor einem Millionenpublikum – und Ulrich Deppendorf wurde vor Ort nicht müde zu betonen, dass dies kein normaler Abschiedsgruß sei. Eine seltsame Atmosphäre scheint über dem Schloss zu hängen, möglich, dass eine Verschiebung bis nach dem laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hannover besser gewesen wäre.
Doch das hätte nicht zu Wulffs Selbstverständnis gepasst. Der Zurückgetretene vermeidet alles, was wie ein Schuldeingeständnis wirken könnte. Die Diskussion um seinen Ehrensold reißt nicht ab, logisch, dass Wulff da alles vermeiden möchte, was diesen in Abrede stellen könnte.
Bei der Nationalhymne scheinen alle froh, dass es nun bald vorbei ist
Der Schriftzug „Abschied von Bellevue“, den die ARD auf schwarz-rot-goldenem Untergrund präsentiert, erinnert an einen Heimatfilm in den Bergen. Ein wenig unpassend ist vieles an diesem Abend, die Rufe der Soldaten, das Getröte von draußen, die wirren Aussagen der Demonstranten. Als endlich die Nationalhymne den Zapfenstreich beendet, singen Wulff und seine Gäste erleichtert mit.
Wohl alle hier sind froh, dass die Sache über die Bühne gebracht ist. Ein ernster Christian Wulff kehrt, wohl zum letzten Mal, mit seiner Frau in das Schloss zurück, das bis vor ein paar Wochen ihr zu Hause war. Mitleid müsse man mit Wulff nicht haben, versichert Nico Fried, Leiter der Parlamentsredaktion der Süddeutschen Zeitung. Doch auch Wulffs Verdienste um Integration, Vergangenheitsbewältigung und Kampf gegen Rechtsextremismus gehörten zur Bewertung der Amtszeit dazu. Ob ein Zapfenstreich diese beenden musste? Darüber kann man geteilter Meinung sein, eigenartig war die Veranstaltung in jedem Fall.
Wulff ist noch jung und will sich weiter engagieren. Die Bürger sind skeptisch
Ob und wie Christian Wulff sich in Zukunft in die deutsche Politik einbringen wird, ist offen. Eine Mehrheit der Bürger wünscht das nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov nicht. Doch Wulff ist noch jung und hat schon jetzt angekündigt, er wolle sich weiter engagieren.
Überraschungen gibt es immer wieder. Vor etwa einem Jahr wurde auch Karl Theodor zu Guttenberg mit dem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Schon ein paar Monate später meldete er sich mit einem Interview, Vorschlägen zur Politik und einem Beraterposten bei der EU zurück.