Berlin. Der Untersuchungsausschuss, der die Ermittlungen zu den Verbrechen der rechtsradikalen Terrorgruppe NSU untersuchen soll, beklagt sich über die Kooperation mit den Ländern: Es holpere noch bei der Herausgabe von Akten zu Neonazis, erklärte ein Mitglied des Ausschusses.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Zwickauer Neonazi-Zelle hat an die Länder appelliert, die zur Aufklärung nötigen Akten zu übermitteln. "Es holpert an dieser Stelle noch", sagte der FDP-Vertreter im Ausschuss, Hartfrid Wolff, nach einer Sitzung am Donnerstag in Berlin. Die Innenministerkonferenz müsse bei ihrem Treffen Ende März ein Signal aussenden, dass sie zur Herausgabe der für die Aufklärung der Mordserie notwendigen Unterlagen bereit sei.

Auch der CDU-Vertreter im Ausschuss, Clemens Binninger, sagte, den Ankündigungen der Länder müssten Taten folgen. Der Bundestagsausschuss will die der Neonazi-Gruppe Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zur Last gelegten Morde an neun Migranten und einer Polizistin aufklären, die wegen Ermittlungspannen von Länderbehörden lange unentdeckt geblieben waren. Zur Aufklärung benötigt der Ausschuss nun die Unterlagen aus den Ländern.

NPD ist im sächsischen Untersuchungsausschuss vertreten

Auch die Bund-Länder-Kommission, mit der sich der Untersuchungsausschuss am Donnerstag traf, mahnte eine Kooperation der Länder an. Die Länder sollten sich an die gemachten Zusagen halten, sagte der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der der Kommission angehört.

Besorgt äußerten sich die Ausschussvertreter über den Umstand, dass in dem am Mittwoch vom sächsischen Landtag eingesetzten Untersuchungsausschuss auch die NPD vertreten ist. Dies könne die Arbeit auch auf Bundesebene erheblich beeinrächtigen, sagte Wolff. Die Zusammenarbeit mit dem sächsischen Gremium werde sich anders gestalten als die Kooperation mit dem Ausschuss des Thüringer Landtags, sagte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland. "Es darf nichts zu dieser Partei gelangen, was ihr verfassungsfeindliches Agieren stärkt", sagte Wieland mit Blick auf die NPD.

Der Bundestagsausschuss will am Donnerstagnachmittag mit der öffentlichen Anhörung von Zeugen beginnen. Den Auftakt bildet die Befragung von Barbara John, sowie Vertreter weiterer Opferverbände.

John kritisiert bürokratische Hürden bei Hilfe für NSU-Opfer

Die Ombudsfrau für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle, Barbara John, hat vor dem NSU-Untersuchungsausschuss bürokratische Hürden bei der Hilfe für die Betroffenen angeprangert. Viele Behörden agierten zu starrsinnig und standardisiert, sagte John vor dem Bundestagsgremium am Donnerstag in Berlin. So hätten beispielsweise Jobcenter versucht, die Soforthilfen für die Opfer von Sozialleistungen abzuziehen.

John ist Ansprechpartnerin für rund 66 Opfer der NSU, die für mindestens zehn Morde verantwortlich gemacht wird. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zu der Mordserie aufdecken.

John fordert Beschwerdestelle für Fehlverhalten

John erneuerte vor dem Ausschuss auch ihre Kritik an der Arbeit der Polizei. Die Opfer-Familien hätten durch die falschen Anschuldigungen und Methoden der Sicherheitsbehörden stark gelitten. Die Polizeiausbildung müsse insgesamt reformiert werden, forderte sie. Die Beamten sollten stärker für das Thema Einwanderungsland sensibilisiert werden.

Zudem sollte jede Gewalttat gegen einen Einwanderer standardisiert auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund untersucht werden, sagte John. Sinnvoll wäre auch die Einrichtung einer Beschwerdestelle für Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden. (afp/dapd)