Essen. Der Steuerrechtler Norbert Balke hält es für möglich, dass der Ankauf von Steuersünder-Daten durch die NRW-Regierung im Jahr 2010 illegal war. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft? CDU und SPD befürworten das Vorgehen von damals einhellig.

Haben die Finanz­behörden in Nordrhein-Westfalen beim Kampf gegen Steuerhinterzieher überzogen und sogar gegen das eigene Strafrecht und das Grundgesetz verstoßen, als sie im Februar 2010 in der Schweiz gestohlene Daten von 1100 deutschen Steuersündern kauften?

Der Dortmunder Steuerrechtler Michael Balke ist Richter im 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts und hat mehrere einschneidende Urteile des Bundesverfassungsgerichts bewirkt, Er schließt das nicht aus. „Es könnte eine rechtsstaatliche Grenze überschritten sein“, sagte er der WAZ.

NRW soll dem Informanten „Aufträge“ erteilt haben

Balke reagiert damit auf einen Bericht unserer Zeitung von Montag. Danach hat die Schweizer Bundesanwaltschaft festgestellt, die NRW-Behörden hätten damals die bei der Großbank Credit Suisse (CS) entwendeten Kundendaten nicht nur einfach ­angekauft. Sie hätten vielmehr dem CS-Mitarbeiter Sina L. über längere Zeiträume „Aufträge“ zur Beschaffung von Daten und von bankinternen Geschäftsunterlagen erteilt.

Balke machte klar, dass er im Prinzip eine harte Gangart gegen Steuersünder unterstützt, durchaus auch durch einen Ankauf von CDs. Träfen aber die Feststellungen der Schweizer Fahnder zu, „dann haben hier womöglich staat­liche Stellen Bankdaten nicht nur angekauft, sondern waren bei deren Beschaffung behilflich und haben darüber hinaus Geschäftsgeheimnisse aus­gespäht. Dann könnte ein strafrechtlicher Anfangsverdacht mit Blick auf die Auftraggeber in der Spitze deutscher Verwaltungen oder Regierungen zu bejahen sein. Das ist dann Sache der deutschen Staatsanwaltschaft“.

Der Ankauf war 2010 unter Minister Linssen

2010 hatte der damalige CDU-Landesfinanzminister Helmut Linssen erklärt, das Land habe lediglich eine von Unbekannt angebotene CD mit den Kundendaten für einen Preis von 2,5 Millionen Euro gekauft. Dem widersprechen die Schweizer Ermittlungen. Die heutige NRW-Landesregierung dagegen stützt die Version ihrer Vorgänger – mehr noch: Linssen-Nachfolger Norbert Walter-Borjans (SPD) hat mehrfach angekündigt, weitere entwendete CDs mit Kundendaten von Schweizer Banken ankaufen zu wollen. Begründung: Die Banken in der Schweiz und anderen Ländern würden Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Deutschland leisten.

Auch aus diesem Grund lehnt Rot-Grün in Düsseldorf – so wie andere SPD-geführte Landesregierungen – das von der Bundesregierung im ­November 2011 ausgehandelte Steuerabkommen mit der Schweiz ab. Denn darin sichert der Bund der Schweiz unter anderem zu, sich nicht mehr „aktiv“ um den „Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten zu bemühen“. Vor allem ist im Vertrag eine Regelung zur Besteuerung deutschen Anlagevermögens in der Schweiz getroffen, die rot-grünen Landesregierungen missfällt. Sie schone Steuerhinterzieher.

CDU: Landesregierung soll sich im Bundestag nicht querstellen

Die CDU-Opposition im Landtag sieht das anders. Sie hat die Landesregierung aufgefordert, Ja zum Abkommen zu sagen. Denn das spüle nach ihren Berechnungen bares Geld in die Landeskasse – rund zwei Milliarden Euro, mit denen die Schweiz laut Vertragstext bisher verursachte Steuerausfälle in Deutschland abgelten muss. „Nordrhein-Westfalen muss seinen ideologisch begründeten Widerstand gegen die Ratifizierung des Steuerabkommens aufgeben“, mahnen die CDU-Haushälter. Da die Mehrheit für den Vertrag im Bundesrat wackelt, kann es zu Nachverhandlungen kommen.