Schwerte/Lennestadt.. Auch in NRW flogen zum politischen Aschermittwoch wieder die Fetzen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft knöpfte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung vor. Die NRW-CDU konterte mit heftiger Kritik an der rot-grünen Schuldenpolitik. Lobende Worte gab’s dagegen für Joachim Gauck.

Das Publikum hockt an langen Holztischen, konsumiert Frikadellen und Mettwürste, und was die Redner auf der Bühne zu sagen haben, geht den 750 Genossen runter wie das reichlich fließende Pils. Die Zeichen trügen nicht: es ist Politischer Aschermittwoch der SPD in Schwerte, zum 20. Mal, und wie immer ist der „Freischütz“ zum Kartenpreis von fünf Euro ausverkauft. Die Stimmung ist postkarnevalistisch gut. Hannelore Kraft muss nicht viel tun, um das Parteivolk auf Touren zu bringen.

Der Präsidentenwechsel in Schloss Bellevue bestimmt die Tonlage. Die Ministerpräsidentin sorgt sich, das Rheinland könnte den Titel der „Narren-Hochburg“ an die aufstrebende Berliner Konkurrenz verlieren. Als „Sessions-Höhepunkt“ hat sie die Suche nach dem Nachfolger von Christian Wulff und die Rolle der Liberalen ausgemacht „Frau Merkel wird die FDP in der anbrechenden Fastenzeit auf Diät setzen“, sagt Kraft voraus. Überhaupt die FDP: Sie gebe sich zwar neuerdings als „Partei der kleinen Leute“, sei aber in Wahrheit die „Partei der kleinen Prozente“. Der Saal johlt.

Kraft geißelt Bayern: Erst kassieren, dann lamentieren

Die Vorlage aus Bayern, das gegen den Länderfinanzausgleich klagen will, lässt sich die SPD-Landeschefin nicht entgehen. „30 Jahre klaglos kassieren, aber wenn sie selbst zahlen müssen, lauthals lamentieren“, nimmt sich Kraft ihren CSU-Kollegen Horst Seehofer vor. Dabei habe NRW mit seinen Zahlungen erst dafür gesorgt, dass sich die Bayern „neben der Lederhose überhaupt ein Laptop leisten können“. Launig streift Kraft viele politische Felder. Ernst wird sie, als sie die Ahnen der SPD bemüht. „Ihren Kampf gegen Nazi-Terror müssen wir fortführen“, ruft sie unter Beifall, „und wehrhaft sein gegen die braunen Horden.“

Den landespolitischen Part überlässt sie Norbert Römer. Der Düsseldorfer SPD-Fraktionschef nimmt sich die CDU vor, die sich „in der Opposition eingerichtet“ habe. „Laumann poltert ohne Substanz, Röttgen bleibt unsichtbar und hat nur eine Fernbeziehung zu NRW“, teilt Römer aus. Die Linke im Landtag befinde sich mit Milliarden-Forderungen auf „finanzpolitischer Geisterfahrt“, und FDP-Fraktionschef Gerhard Papke habe beim Haushalt 2012 „die Latte so hoch gelegt, dass er am Ende bequem darunter hergehen kann“, spottet Römer. Für die rot-grüne Koalition hat er dagegen nur Eigenlob.

Röttgen attackiert Schuldenpolitik von Rot-Grün in NRW

Das war nicht immer so. Ende der 90-er Jahre, als sich SPD und Grüne in NRW lautstarken Dauerkonflikt lieferten, hatte Franz Müntefering die Bühne im Freischütz für den damaligen Grünen-Minister Michael Vesper freigeräumt. Der SPD-Bezirkschef wollte ein Zeichen für Rot-Grün im Bund setzen. Darauf boykottierten Hardliner wie der bekennende Grünen-Fresser Klaus Matthiesen den Aschermittwoch.

Diesmal ist es Martin Schulz, der den Abend beendet. Der neue Präsident des EU-Parlaments fordert eine Regulierung der Finanzmärkte und verteidigt die Finanzhilfen an Griechenland. „Das ist kein Akt caritativer Mildtätigkeit“, so Schulz. Ein Zusammenbruch der Euro-Zone käme den Steuerzahler sehr viel teurer zu stehen.

Heftige Kritik an der Schuldenpolitik von Rot-Grün in Düsseldorf und viel Lob für Joachim Gauck als künftigen Bundespräsidenten: Bundesumweltminister und CDU-Landesvorsitzender Norbert Röttgen hat derweil auf dem Politischen Aschermittwoch in Lennestadt-Kirchveischede die Koordinaten der Christdemokraten bestimmt.

„Hier ist die CDU so wie wir sie uns wünschen“

Hochstimmung in der Schützenhalle in Kirchveischede. Der Musikverein Bilstein intoniert „Preußens Gloria“. Röttgen und sein Begleitpulk marschieren ein, schütteln Hände. 700 Parteifreunde erheben sich, klatschen im Rhythmus. In diesen Momenten bestätigt sich das, was Röttgen später sagen wird: „Hier ist die CDU so wie wir sie uns wünschen. Stark, bodenständig und heimatverbunden - die Heimatpartei im Sauerland.“ Der Rheinländer gibt sich selbst die Vorlage. Für ihn wird es ein Heimspiel.

Bevor der Landesvorsitzende spricht, wärmt Generalsekretär Oliver Wittke den Saal auf. Er versucht die Erwartungen zu erfüllen, die Parteimitglieder mit einem Politischen Aschermittwoch verbinden: Eine deftige Abrechnung mit dem politischen Gegner, gerne mit verbaler Zuspitzung, Beleidigung inbegriffen. Bestes Beispiel: Er, Wittke, bekomme Augen-Tinnitus, wenn er das Kabinett der Landesregierung sehe. Warum? „Weil man lauter Pfeifen vor sich sieht.“ Das kommt gut an.

Und den Versuch der Minderheitsregierung, die Schulden als präventive Finanzpolitik zu verkaufen, geißelt er unter donnerndem Applaus mit dem Satz: „Wenn das stimmt, müssten in Griechenland paradiesische Verhältnisse herrschen.“ Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wirft er politische Untätigkeit vor: „Nur nett sein, reicht nicht. Sie muss handeln. Kein anderes Land macht mehr Schulden als NRW.“

Röttgen zieht das Florett vor

Röttgen hingegen ist nicht der Mann, der zum Säbel greift, er zieht das Florett vor. Vorschusslorbeeren erntet Gauck: „Das wir einen Kandidaten haben, der glaubwürdig über christliche Werte und Freiheit spricht, tut uns gut.“ Im Gepäck hat er die Nachricht, dass der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz als Wahlmann zur Bundesversammlung kommt: „Er hat gerne zugesagt.“

Gerne haut Röttgen auf seine Art auf Rot-Grün drauf: „Wenn die Landesregierung aus dem politischen Koma aufwacht, macht sie Schulden oder denkt sich was zur Bevormundung der Bürger aus.“ Er kritisiert die Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes und die Änderung der Ladenöffnungszeiten. „Das brauchen die Bürger nicht.“ Sein Appell zum Schluss: „Wir wollen Verantwortung übernehmen und gestalten.“ Minutenlanger Beifall und Ende.