Amman/Wien. . Der diplomatische Druck auf Baschar al-Assad steigt - dennoch nimmt der syrische Staatschef die Geburtsstätte der Revolte ins Visier. Regierungssoldaten griffen am Donnerstag Stellungen der Rebellen in Deraa. Die UN-Vollversammlung entscheidt am Abend womöglich über eine Resolution.

Ungeachtet des wachsenden diplomatischen Drucks nimmt die syrische Regierung die Geburtsstätte der elfmonatigen Revolte ins Visier. Soldaten des autokratischen Staatschefs Baschar al-Assad griffen am Donnerstag Stellungen der Rebellen in Deraa nahe der Grenze zu Jordanien an. Nahe Hama töteten sie der Opposition zufolge mindestens 14 Menschen. Kurz vor einer Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen über eine Syrien-Resolution verschärfte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon seine Kritik am gewaltsamen Vorgehen der Führung in Damaskus und sprach von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wohngegenden würden willkürlich mit Granaten beschossen, Krankenhäuser als Folter-Zentren dienen, zehnjährige Kinder inhaftiert und missbraucht. „Ziemlich sicher“ seien das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte Ban in Wien.

Nach dem Scheitern einer Syrien-Resolution im Sicherheitsrat könnte mit der verschärften Rhetorik Bans die Grundlage gelegt werden, um die syrische Führung vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu belangen. Dessen Zuständigkeit umfasst Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay dringt seit längerem darauf, nach Libyen auch den Fall Syrien an das Gericht in Den Haag zu überweisen. Sicherheitsratsmitgliedern zufolge würden die Vetomächte Russland und China das Vorhaben aber blockieren.

Schwere Gefechte in der Geburtsstätte der Revolte

China steht weiter an der Seite von Assad, dessen Truppen mit aller Härte gegen seine Gegner vorgehen. Die Regierung in Peking kündigte zwar an, Vize-Außenminister Zhai Jun für Freitag und Samstag zu Gesprächen nach Damaskus zu entsenden. Allerdings bekräftigte Zhai die bisherige Haltung, eine militärische Intervention und einen von außen erzwungenen Regime-Wechsel abzulehnen. Das Parteiorgan „Renmin Ribao“ warnte vor weiterem Blutvergießen, regionaler Instabilität und steigenden Öl-Preisen, sollte das Ausland sich einmischen.

Knapp ein Jahr nach Ausbruch der Unruhen kommt Assad seinen Gegnern mit einem Termin für ein Verfassungsreferendum entgegen, verschärft aber gleichzeitig das gewaltsame Vorgehen. Nach zweiwöchigem Beschuss der Protesthochburgen Hama und Homs ist nun auch Deraa erneut ins Visier geraten. Bewohner und Vertreter der Opposition berichteten, die Regierungstruppen hätten vor allem die Stadtteile unter Beschuss genommen, die von der von Deserteuren geführten Freien Syrischen Armee kontrolliert würden. Die bewaffneten Rebellen hätten Straßensperren der Regierungstruppen und Unterkünfte der Geheimpolizei angegriffen. Der oppositionellen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge töteten übergelaufene Soldaten dabei drei Sicherheitskräfte. Die staatliche Nachrichtenagentur meldete, Sicherheitskräfte hätten „bewaffnete Terroristen“ bekämpft. Nach Darstellung der Führung in Damaskus gehen die Sicherheitskräfte nicht gegen unbewaffnete Demonstranten, sondern vom Ausland unterstützte Extremisten vor.

In der Hauptstadt wurden mehrere Menschenrechtler festgenommen

In der Hauptstadt wurden mehrere Menschenrechtler festgenommen, darunter der prominente Aktivst Masen Darwich, wie ein Oppositioneller der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Darwich leitet das Syrische Zentrum für Presse- und Meinungsfreiheit.

Unter dem Eindruck der andauernden Gewalt sollte die UN-Vollversammlung am Donnerstagabend über eine neue Resolution abstimmen. Der von Saudi-Arabien verfasste und von Ägypten eingebrachte Entwurf fordert die vollständige Umsetzung des Friedensplans der Arabischen Liga: Dazu zählt ein sofortiges Ende der Gewalt und der bedingungslose Rückzug der Armee aus den Wohngebieten. Mit einer Verabschiedung könnte aber allenfalls der diplomatische Druck erhöht werden. Beschlüsse des Plenums haben keine rechtliche Wirkung. (rtr)