Lissabon/Madrid. In Lissabon gingen 300 000 Menschen auf die Straße, um gegen den Sparkurs der konservativen Regierung zu demonstrieren. Trotz der Reformen befindet sich die Wirtschaft des Landes im freien Fall. Große Teile der Bevölkerung leben in Armut.

. „Wir müssen noch mehr kämpfen“, ruft Armenio Carlos, der Boss von Portugals größter Gewerkschaft CGTP. Viele Portugiesen folgten seinem Aufruf, auf die Straße zu gehen, um gegen das Sparpaket und die Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung zu protestieren. „Gegen immer mehr Ausbeutung und Verarmung“, skandierten die Menschen. Nach Gewerkschaftsangaben gingen 300 000 Menschen in Lissabon auf die Barrikaden – eine der größten Demos in der Geschichte des Landes.

Der Zorn richtet sich gegen immer neue Kürzungen, die Ministerpräsident Pedro Passos Coelho durchpeitscht, um die Sparauflagen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen. Portugal hängt seit einem Jahr am Tropf des internationalen Euro-Rettungsfonds, weil es überschuldet ist und vor der Staatspleite stand. Der Notkredit von 78 Milliarden Euro wurde an die Bedingung harter Reformen geknüpft. Den elf Millionen Portugiesen steht das Wasser bis zum Hals.

Gerade hat die Regierung eine Job- und Wirtschaftsreform auf den Weg gebracht, die neue Arbeitsplätze und mehr Wettbewerbsfähigkeit bringen soll. Für die Gewerkschaft CGTP ist dies eine „Kriegserklärung“, weil die Rechte der Arbeitnehmer beschnitten werden: Der Urlaubsanspruch wird auf 22 Arbeitstage beschnitten. Feiertage wurden gestrichen, die Überstundenzuschläge sinken. Schließlich beschloss die Regierung, den Kündigungsschutz zu lockern.

Portugals Lage hat sich auch nach dem Rettungskredit durch EU und IWF kaum gebessert. Die Neuverschuldung konnte zwar in 2011 auf rund fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zurückgefahren werden. Aber die Gesamtverschuldung steuert in 2012 auf horrende 110 Prozent des BIP zu, sodass ein immer größerer Teil des Haushaltes für die Tilgung der Staatskredite draufgeht, was der Nation die Luft abschnürt. Die internationalen Ratingagenturen setzten die portugiesische Kreditwürdigkeit in den letzten Wochen auf „Müllniveau“, weil die Sorge wächst, dass auch Portugal, ähnlich wie Griechenland, einen Schuldenschnitt und ein zweites Rettungspaket braucht.

Hinzu kommt, dass von der Wirtschaft keine Impulse und zusätzliche Steuereinnahmen zu erwarten sind: Die Rezession wird tiefer, die Wirtschaftsleistung dürfte, den Schätzungen zufolge, in 2012 um mindestens drei Prozent sinken. Auch, weil nach einer Welle harter Sparbeschlüsse der private Konsum einbricht. Die Portugiesen haben immer weniger Geld in der Tasche: Der Durchschnitts-Bruttolohn liegt bei 1100 Euro, der Mindestlohn bei 485 Euro – jeder Vierte gilt als arm.