Athen. . Spardiktat, fehlgeschlagene Privatisierungsversuche, Zwist unter den Parteien, verzweifelte Bürger: Die Situation in Griechenland wird eher schlimmer als besser. Ein paar Fakten zur aktuellen Lage.
Die griechische Tragödie steht weiter ganz oben auf dem Brüsseler Spielplan. Keiner weiß, unter welchem Motto der nächste Akt steht: geordnete Insolvenz, Sparkommissar der EU oder Ausstieg aus dem Euro?
Nur eines scheint sicher: Ein Happy End ist ausgeschlossen. Alle bisherigen Reformbemühungen gelten als gescheitert. Die Griechen selbst schwanken zwischen Wut, Trotz und Resignation. Szenen eines Dramas:
Die Macht der Zahlen
Spardiktat und Steuererhöhungen treiben die Griechen immer tiefer in die Rezession. Seit Beginn der Krise ist das Bruttoinlandsprodukt um satte 13 Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosenquote liegt inzwischen bei fast 20 Prozent, bei den Jugendlichen ist jeder zweite ohne einen Job. Dieses Jahr wird sich die wirtschaftliche Talfahrt fortsetzen – im vierten Jahr in Folge. Der Staat wird noch mehr sparen und noch höhere Steuern erheben müssen, um die Vorgaben der Kreditgeber zu erfüllen. Folge: Der griechischen Wirtschaft fehlt weiteres Geld, die Rezession schreitet voran.
Die Last der Schulden
Griechenland ächzt unter mehr als 360 Milliarden Euro Schulden – Tendenz steigend. Es reicht inzwischen nicht mehr, wenn private Banken dem Land jetzt 100 Milliarden Euro erlassen sollten. Werden den Griechen also nicht noch mehr Schulden erlassen, werden sie an ihnen ersticken.
Die Ohnmacht der Politiker
Ein aus Brüssel entsandter Aufseher, der in Athen die Hoheit über den Staatshaushalt übernimmt – das wäre die größte anzunehmende Blamage für die griechische Regierung. Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) spricht von „Führung und Überwachung“. Vokabeln, die in Athen zu allergischen Reaktionen führten. Der „Respekt vor der nationalen Souveränität und Würde“ sei einer der Grundpfeiler der Europäischen Union, mahnte empört Athens Finanzminister Evangelos Venizelos. Gleichwohl herrscht unter den notorisch zerstrittenen Parteien im Land immer noch eifersüchtiger Zwist. Erst am vergangenen Sonntag konnten sich beispielsweise die Vorsitzenden der drei Parteien, die die Regierung von Ministerpräsident Lucas Papademos tragen, auf eine gemeinsame Linie für die anstehenden Verhandlungen über Rettungskredite einigen – einen Tag vor dem Krisengipfel in Brüssel.
Die Misere der Bürger: Die Sekretärin
Die seit Jahren sich stetig verschärfende Krise hat die Griechen zermürbt, sie sind erschöpft, sie verlieren die Hoffnung. Wer noch einen Job hat, muss Zugeständnisse machen. So wie Sofia Kanellos. Die 34-jährige Athenerin arbeitet als Sekretärin bei einem großen Autohändler in der Hauptstadt. Früher verdiente sie 900 Euro im Monat. Vor drei Monaten stellte ihr Chef sie vor die Wahl: entweder sie arbeitet künftig für 350 Euro, oder sie geht. Sofia blieb. „Wir brauchen jeden Euro“, sagt sie.
Die Misere der Bürger: Die Psychologin
1034 – so lautet die Nummer der Not-Hotline für verzweifelte, depressive Menschen in Griechenland. Die Zahl der Anrufe ist im letzten Jahr um 52 Prozent gestiegen. „Die Mehrzahl der Anrufer ist zwischen 35 und 50 Jahre alt“, sagt die Psychologie-Professorin Marina Oikonomou-Lalioti, „aber auch immer mehr verzweifelte junge Menschen rufen uns an.“ Die Selbstmordrate im Land hat sich im vergangenen Jahr um 40 Prozent erhöht. Als Grund für ihre Suizidgedanken nennen die Anrufer am häufigsten den Verlust des Arbeitsplatzes, finanzielle Ausweglosigkeit sowie die drückende Angst vor Armut im Alter.