Potsdam. Auf der Suche nach Themen, mit denen Angela Merkel zu stürzen ist, setzt die SPD auf die Hilfe der Wähler: Mittels eines “Bürger-TÜVs“ sollen die Bürger Kritik und Vorschläge äußern. Zentrales Thema im SPD-Wahlkampf soll die Gerechtigkeit sein. “Die Ära des Neoliberalimus ist vorbei“, sagte SPD-Chef Gabriel.

Die SPD will im Bundestagswahlkampf 2013 die soziale Spaltung in Deutschland anprangern und so die schwarz-gelbe Regierungskoalition von Kanzlerin Angela Merkel stürzen. Die Ära des Neoliberalismus sei vorbei, sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Montag zum Abschluss der Vorstandsklausur in Potsdam.

Die SPD sei im Aufwind und zuversichtlich, die Wahl 2013 zu gewinnen. Dabei setzen die Sozialdemokraten auf einen "Bürger-TÜV": Erstmals in ihrer fast 150-jährigen Geschichte will die SPD die Bürger mitentscheiden lassen, welche Positionen sie im Wahlkampf vertritt.

Bürger sollen Meinung sagen, Vorschläge machen und Kritik anbringen

Gabriel sagte, es gehe um eine "Volksbeteiligung" bei der Erarbeitung des Regierungsprogramms. Alle Bürger könnten - auch via Internet - ihre Meinung sagen, Vorschläge machen und Kritik anbringen. Damit setze die Partei ihren neuen Kurs fort, sich für alle gesellschaftlichen Strömungen zu öffnen.

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten bis zur Bundestagswahl sagte Gabriel, der gescheiterten Ideologie des marktradikalen Neoliberalismus halte die Sozialdemokratie die soziale Marktwirtschaft und das Leitbild des "Miteinander" entgegen. Er und Generalsekretärin Andrea Nahles machten deutlich, dass die Sozialdemokraten nicht mit persönlichen Attacken gegen die Kanzlerin punkten wollen, sondern mit Themen und der Aussicht auf einen politischen Wechsel zu Rot-Grün.

Gabriel sieht Grund zur Frühlichkeit in der SPD

Gabriel verwies auf gestiegene Umfragewerte seit der desaströsen Wahlschlappe 2009. Rot-Grün habe seitdem in der Wählergunst elf Prozentpunkte auf nun 44 bis 45 Prozent zugelegt, Schwarz-Gelb habe seither ebenso viel eingebüßt und regiere nun schon seit zwei Jahren ohne Mehrheit in der Bevölkerung. Die Lage biete also "Grund zur Fröhlichkeit".

In den Umfragen liegt die SPD allein mit rund 30 Prozent jedoch derzeit deutlich hinter der Union, die auf rund 35 Prozent kommt. Auch führt im jüngsten ZDF-Politbarometer Merkel die Liste der beliebtesten Politiker an.

Gabriel sagte, seine Partei wolle ab sofort stark für die Interessen der Arbeitnehmer streiten. "Wir müssen 2012 zum Jahr der fairen Löhne machen - und zum Jahr der höheren Löhne", sagte er. Leistung müsse sich auch für Arbeitnehmer lohnen. Gefragt seien gesetzliche Mindestlöhne, eine gleiche Bezahlung für Zeitarbeiter, und auch deutlich höhere Tariflöhne.

SPD erklärt Energiepolitik zum Schwerpunkt-Thema

Zweiter SPD-Schwerpunkt in diesem Jahr sei die Energiepolitik. Die Koalition drohe die notwendige Energiewende "völlig vor die Wand zu fahren", sagte er. "Nichts von dem, was verabredet wurde, ist in die Tat umgesetzt." Sechs Minister Merkels arbeiteten gegeneinander. Es hake beim Leitungsausbau und der Speichertechnik. "Wir haben die große Sorge, dass das zu unbezahlbarebn Preisen führt und am Ende der Ruf kommt, die Atomkraftwerke doch noch länger laufen zu lassen."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles machte deutlich, dass ihre Partei 2013 klar auf Rot-Grün setzt. Die Bilanz der großen Koalition von 2005 bis 2009 sei für die SPD "desaströs" gewesen, konstatierte Nahles im Deutschlandradio Kultur. "Und niemand in der SPD-Spitze sehnt sich danach zurück", fügte Nahles hinzu. Die SPD wolle den Kanzler stellen und setze auf die Alternative Rot-Grün zu Schwarz-Gelb.

Nahles geht zugleich davon aus, dass Merkels Umfragewerte sinken, sobald sie sich der Innenpolitik stellt. Derzeit schwebe die Kanzlerin "so ein bisschen über allem". Das werde Merkel aber nicht durchhalten können, wenn es um innenpolitische Fragen gehe, sagte Nahles dem Sender n-tv.

Ralf Stegner: Gabriel legt Wert auf Fehleranalyse

Schleswig-Holsteins SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner sagte, der Selbstreinigungsprozess seiner Partei sei beendet. Er sagte den "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstagausgabe): "Seit mit Gabriel ein Parteivorsitzender Wert auf Fehleranalyse und konstruktive Zusammenarbeit legt und die Parteiflügel wieder miteinander reden, ist das Gift untereinander raus." (dapd).