Washington. Nach der dritten Vorwahl ist das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner in den USA wieder offen. Im Südost-Bundesstaat South Carolina gewann Newt Gingrich mit 40 Prozent der Stimmen klar gegen die bisherigen Vorwahl-Sieger Rick Santorum und Mitt Romney.

Es kann nur einen geben. Es kann nur einen geben? Bei der dritten Vorausscheidung der Republikaner in Amerika um das Bewerber-Ticket gegen Präsident Barack Obama hat es am Samstag den dritten Sieger gegeben. Die konservative Wählerschaft kann sich offensichtlich einfach nicht klar entscheiden. Noch nicht. Nach Iowa (nach erneuter Zählung Rick Santorum) und New Hampshire (Mitt Romney) hat der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, im Südost-Bundesstaat South Carolina die Gunst der Stunde genutzt. Nach seinem klaren Sieg (40 %) – Romney kam auf 27 %, Santorum mit 18 % auf Platz 3 und der Kongressabgeordnete Ron Paul wurde mit 13 % nach vorläufigen Ergebnissen Vierter – ist das Rennen wieder völlig offen. Nächste Station: 31. Januar Florida.

Der Erfolg von Gingrich, den die Umfragen noch vor Wochenbeginn auf verlorenem Posten sahen, gründet nach erster Analyse vor allem auf seiner couragierten Darbietung bei der TV-Debatte am Donnerstag. Dabei hatte der 1943 geborene Soldaten-Sohn unter anderem höchst impulsiv Fragen des Moderators abgewettert, der ein delikates Interview einer von Gingrichs Ex-Frauen zum Thema machen wollte. Anlass: Gingrich, der einst Bill Clinton wegen außerehelichen Aktivitäten verfolgte wie ein Inquisitor, hatte seinerzeit bereits ein Verhältnis mit Callista, seiner heutigen dritten Frau. Zum Verhängnis wurde ihm das bisher nicht, auch wenn die konservative Wählerschaft gerade in diesem Punkt gewissenhaft tugendhaft tut.

Romney ist tief gefallen

Romney dagegen, der bereits 2008 erfolglos um die Nominierung rang, ist in kurzer Zeit ziemlich tief gefallen. Erst wurde ihm nachträglich der voreilig verkündete Sieg in Iowa aberkannt; am 3. Januar gewann dort, wie sich vor drei Tagen herausstellte, mit 34 Stimmen Unterschied Rick Santorum. Dann musste der 64-jährige Multi-Millionär, der bereits als sicherer Sieger gehandelt wurde, erleben, was ein allgemein als mittelprächtig empfundener Fernseh-Auftritt auslösen kann. Über die Hälfte der evangelikal grundierten Wähler in South Carolina trafen ihre Entscheidung nach der Schlammschlacht Mitte der Woche. Dabei ließ der Mormone Romney Schwächen erkennen, als er bei der Frage, wann er seine Steuererklärung für 2010 öffentlich machen wird, auffällig ins Schwimmen geriet. Hintergrund: Der auf ein Privatvermögen von 250 Millionen Dollar geschätzte ehemalige Firmensanierer hat nach eigenen vagen Angaben zuletzt maximal 15 % Steuern gezahlt; dramatisch weniger als der durchschnittliche US-Mittelschicht-Haushalt. Gingrich und sein ihn unterstützender Wahlverein (Super-Pac) hatten Romney als Heuschrecke und Arbeitsplatzvernichter denunziert; als einen der 1 %, gegen die die 99 % von “Occupy Wall Street” jeden Tag protestieren.

Romney wirkte nach der Niederlage, trotz des einstudierten Lächelns, zerknirscht. Er weiß: Seit 1980 ist keiner Präsidentschaftkandidat der Republikaner geworden, der nicht vorher in South Carolina gewonnen hatte. “Das wird ein harter Kampf. Wir müssen noch einen weiten Weg gehen”, rief er seinen Anhängern zu und versprach in jedem Bundesstaat zu kandidieren. Sein neuer Zungenschlag blieb nicht lange verborgen. Die vor allem von Gingrich geschürten Zweifel an seiner unternehmerischen Integrität als früherer Kopf der Investment-Firma Bain Capital stellte Romney auf eine Stufe mit der aus seiner Sicht wirtschaftfeindlichen und “sozialistischen” Politik von Präsident Obama. “Wer heute die Waffen der Linken benutzt, wird miterleben, wie sie morgen gegen uns gerichtet werden”, sagte Romney und warnte seine Partei davor, den Erfolg von Unternehmern zu “dämonisieren”. Republikaner, so Romney, “feiern den Erfolg”.

Am Dienstag hält Obama die Rede zur "Lage der Nation"

Kommentatoren der großen US-Fernsehsender sehen Romney stark unter Druck. Seit seinen Äußerungen, wonach er allein 2010 rund 370.000 Dollar Rednerhonorare eingenommen hat (Zitat: “nicht sehr viel”), lässt ihn vielerorts als abgehobenes Mitglied der oberen Zehntausend erscheinen, während die amerikanische Mittelschicht darbt und kämpft. Genau an dieser Stelle will Präsident Barack Obama am Dienstag in seiner jährlichen Rede zur “Lage der Nation” ansetzen. In einem Video zur Vorbereitung setzt sich Obama für eine “Wirtschaft ein, die für jeden funktioniert, nicht nur für die Reichen”.

Gingrich, der selbst für Reden bis zu 60.000 Dollar kassiert, Multi-Millionär und für Bescheidenheit und Kleinmut nicht bekannt ist, gab sich bei seiner Sieger-Rede vergleichsweise zahm. Er weiß um die prall gefüllte Kriegskasse Romneys und dessen landesweit blendend aufgestellte Organisation, die millionenschwere Fernseh-Kampagnen möglich macht, und bat seine Anhänger so unverhohlen wie nie zuvor um finanzielle Unterstützung. “Wir haben nicht das Geld, das mindestens einer der anderen Bewerber hat”, sagte er.

Florida ist unberechenbar

Im Gegensatz zum überschaubaren South Carolina mit seiner weißen, radikal konservativen und mehrheitlich evangelikalen Wählerschaft auf republikanischer Seite, ist Florida Ende Januar aus heutiger Sicht unberechenbar; auch wenn Romney dort zuletzt in Umfragen deutlich führte und wohl auf die formale Unterstützung des einflussreichen Clans der Ex-Präsidenten Bush (alt und jung) zählen kann. Am Montag und am Donnerstag stehen zwei weitere Fernsehdebatten im Sonnenscheinstaat an, in denen die Steuerbelastung Romneys und seine angebliche Brillanz in unternehmerischen Dingen eine gewichtige Rolle spielen wird. So er den überhaupt daran teilnimmt. Bislang steht seine Zusage noch aus. Gingrich setzt dagegen ausschließlich auf seine rhetorische Überwältigungskunst. Erneut forderte er am Samstag Präsident Obama zu mehreren dreistündigen Einer-gegen-Einen-TV-Debatten heraus; wobei der Amtsinhaber ruhig den Teleprompter, eine Art Lesehilfe, benutzen dürfe, wie Gingrich gönnerhaft anmerkte.

P.S. Gingrichs Erfolg in South Carolina ist in Zahlen gemessen nur ein Tippelschritt. Der Süd-Staat entsendet 25 Delegierte zum Nominierungsparteitag der Republikaner Ende August. Wer dort gewinnen will, muss mindestens 1144 Stimmen auf sich vereinigen. Es könnte also – auch über Florida hinaus – ein langwierigeres Rennen werden. Eine wichtige Standortbestimmung bietet der 6. März, wenn zeitgleich 11 Bundesstaaten ihren republikanischen Kandidaten wählen. Alle Blicke richteten sich schon gestern Abend auf Ohio. Ein klassischer “Swing-State”, wie die Amerikaner sagen. Mal gewinnt der, mal ein anderer. Ohio ist für jede Überraschung gut.