Karlsruhe.

Die Bundesanwaltschaft weist Zweifel am Verdacht gegen die mutmaßliche
Rechtsterroristin Beate Zschäpe zurück. Man sei überzeugt, dass Zschäpe die
Terrorgruppe NSU mitbegründet und sich "bis zum Schluss" an ihr beteiligt habe,
sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde. Die Vorwürfe gegen Zschäpe werden
möglicherweise noch erweitert. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich räumte
am Wochenende Defizite bei den Ermittlungen zu dem Fall ein und ordnete eine
Umstrukturierung des Bundesamts für Verfassungsschutz an.

Der Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte auf dapd-Anfrage, dass
die Behörde auf die Haftbeschwerde von Zschäpes Anwälten reagiert hat. In einer
Stellungnahme werde der dringende Verdacht gegen die Beschuldigte erläutert. Mit
Blick auf das laufende Verfahren wollte der Sprecher jedoch keine Einzelheiten
nennen.

Das ARD-Magazin "Panorama" hatte berichtet, in dem Schreiben der
Bundesanwaltschaft heiße es unter anderem, Zschäpe habe den Mitbeschuldigten
Holger G. im Jahr 2001 oder 2002 vom Bahnhof Zwickau abgeholt, als dieser dem
Trio eine Waffe brachte.

Bundesanwaltschaft prüft auch Mordversuch-Vorwurf gegen Zschäpe

Zschäpes Verteidiger hatten Ende Dezember Haftbeschwerde eingelegt.
Nach den vorliegenden Akten bestehe gegen Zschäpe kein dringender Tatverdacht
wegen Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung, argumentierten sie.

Unabhängig von der Frage, ob der Haftbefehl gegen Zschäpe aufgehoben
wird, könnte diese sich bald auch mit dem Vorwurf des versuchten Mordes
konfrontiert sehen. Nach dapd-Informationen prüft die Bundesanwaltschaft, ob sie
den Vorwurf der besonders schweren Brandstiftung auf versuchten Mord erweitert.
Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll Zschäpe die Zwickauer Wohnung
in Brand gesetzt haben, obwohl noch eine Nachbarin im Haus war.

Die Neonazi-Gruppe wollte laut "Focus" auch weitere Rechtsextremisten
für Verbrechen gegen Ausländer anwerben. Das lege ein Filmausschnitt nahe, der
auf einer Festplatte des Trios gefunden worden sei, berichtete das Magazin. Zu
sehen sei ein Plakat mit dem NSU-Logo und einer Art Werbeaufschrift. Die
Ermittler glaubten, dass die Gruppe das Plakat ursprünglich an den Anfang ihres
Propagandafilms stellen wollte, um Gleichgesinnte zu rekrutieren.

Friedrich: Rechtsextremismus wurde unterschätzt

Die Pannenserie bei der Aufklärung des Rechtsterrorismus führt zu
Veränderungen im Bundesamt für Verfassungsschutz. Zum Jahreswechsel habe
Behördenchef Heinz Fromm dem Leiter der Abteilung zwei, Artur Hertwig, die
Zuständigkeit für den Rechtsextremismus entzogen, berichtete "Der Spiegel". Den
Posten soll Dinchen Franziska Büddefeld übernehmen. Ein Sprecher der Behörde
wollte die Personalien auf dapd-Anfrage weder bestätigen noch dementieren.

Zudem ordnete Bundesinnenminister Friedrich nach eigenen Angaben an,
die 2006 zusammengelegten Abteilungen für Links- und Rechtsextremismus wieder zu
trennen. Dazu sagte der CSU-Politiker dem "Tagesspiegel am Sonntag", der
Rechtsextremismus in Deutschland sei "ein schwierigeres und gefährlicheres
Phänomen, als es viele Experten bislang eingeschätzt haben".

Friedrich räumte Versäumnisse der Sicherheitsbehörden des Bundes ein.
"Das zentrale Problem war, dass eine Vernetzung des Trios über Thüringen hinaus
nicht erkannt wurde", sagte er und versprach eine deutlich bessere
Zusammenarbeit der Landes- und Bundesbehörden.

Probleme und Pannen bei den Ermittlungen werden einen
Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigen. Den Vorsitz des Gremiums
soll SPD-Innenexperte Sebastian Edathy übernehmen, wie die "Mitteldeutsche
Zeitung" berichtete.

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Untersuchungsausschüsse auch auf
Landesebene. Es gebe viele offene Fragen "nach der Rolle der Polizei, der Rolle
der Staatsanwaltschaften, vor allem nach der Rolle des Verfassungsschutzes",
sagte sie im Sender MDR Info.

Roth nahm wie andere Spitzenpolitiker am Samstag an einer Kundgebung
gegen Rechtsextremismus in Magdeburg teil. Der Protest gegen Rechts wurde von
Angriffen auf Polizisten überschattet, ein Beamter wurde dabei leicht verletzt. (dapd)